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Puccini zeigt Lehár seine "Turandot" Freundschaftsbesuch beim Wiener Meister

Wien, 2. Oktober 1923. Giacomo Puccini spielt Franz Lehár seine Oper "Turandot" am Klavier vor. Eigentlich ist er für die Proben zu "Manon Lescaut" nach Wien gekommen, seinem ersten großen Erfolg. Akribisch überwacht er die Proben im Opernhaus und entspannt sich ansonsten beim Operettenkomponisten Franz Lehár, mit dem ihn seit zehn Jahre eine Freundschaft verbindet.

Puccinis "Turandot" – Cover des Klavierauszugs (1926) | Banderole "Sound der 20er" | Bildquelle: picture alliance / akg-images | BR-KLASSIK

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"Es ist ein feierlicher Augenblick. Mit seinen langen, feinen Fingern gleitet Puccini über die Tasten, spielt irgendeinen Akkord, wie wenn er das Klavier prüfen wollte. Dann legt er seine Zigarette weg, verdeckt mit der rechten Hand die Augen, vertieft sich in seine Gedanken und spielt, gewissermaßen nur für sich, ganz von dem Zauber seiner eigenen Musik gefangen genommen, einen Teil aus dem ersten Akt seiner neuen Oper 'Turandot'. Es sind prachtvolle Akkorde, versunkene Jahrtausende erwachen zum Leben und das Klavier spricht wie ein Orchester."

Puccinis letzter Besuch in Wien

Der ungarische Journalist Géza Herczeg ist einer der wenigen Augenzeugen, die Operettenkönig Franz Lehár zu diesem Vorspiel in seine Wohnung geladen hat. Ein Jahr vor seinem Tod ist es Giacomo Puccinis letzter Besuch in Wien. Seine Halsschmerzen, erste Symptome seines damals noch nicht diagnostizierten Kehlkopfkrebses, lässt er im Cottage-Sanatorium behandeln. Der eigentliche Grund seines Besuchs aber ist das Rollendebüt von Lotte Lehmann in "Manon Lescaut", das wegen Erkrankung verschoben worden musste und eigentlich für Mai geplant war.

"Die gelbe Jacke" – Inspiration für "Turandot"?

Franz Lehár | Bildquelle: picture-alliance/dpa Franz Lehár | Bildquelle: picture-alliance/dpa Schon im Mai hat es sich Puccini nicht nehmen lassen, mit seinem neuen Lancia Trikappa höchstpersönlich zu den Proben nach Wien zu fahren – schnelle Autos und Rennboote gehörten zu seinen Hobbies. Damals sah er auch Lehárs – wie "Turandot" ebenfalls in China spielende – Operette "Die gelbe Jacke", das spätere "Land des Lächelns". "In Wien versäume ich es nie, mir Operettenaufführungen anzusehen", so Puccini. "Diesmal werde ich einer Aufführung der 'Gelben Jacke' beiwohnen. In dem Komponisten Franz Lehár, der übrigens meinem engsten Freundeskreis angehört, verehre ich den vortrefflichsten Meister der Operettenmusik."

Ein letztes Telegramm

Nach seiner Rückkehr aus Wien beendet Puccini die Sterbeszene der Liù und beginnt mit der Instrumentation der "Turandot". Fertigstellen kann er sie nicht mehr. Kurz vor seinem Tod am 29. November 1924 depeschiert Sohn Antonio dem fernen Freund Lehár: "Verehrter Maestro! Papa lässt Ihnen für Ihre lieben Worte vielmals danken. Ich bin glücklich Ihnen mitteilen zu dürfen, dass es Papa jeden Tag besser geht."

Erschütternde Szene

Wenige Stunden später ist er tot und "Turandot" bleibt unvollendet. Bei der Uraufführung an der Mailänder Scala ist Lehár Zeuge, wie Dirigent ArturoToscanini nach Liùs Tod die Vorstellung abbricht. Der "Corriere della Sera" berichtet, dass Lehár geweint habe: "Wer diese Szene miterlebt hat und nicht tief erschüttert ist, der hat gewiss kein Ohr und gewiss auch kein Herz."

Jonas Kaufmann singt "Nessun dorma" aus "Turandot"

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Puccini: Nessun Dorma from 'Turandot' - BBC Proms | Bildquelle: BBC (via YouTube)

Puccini: Nessun Dorma from 'Turandot' - BBC Proms

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