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Album der Woche – François-Xavier Roth dirigiert Beethoven und Gossec

Er ist so etwas wie die personifizierte Deutsch-Französische Freundschaft in der Musik: Der Dirigent François-Xavier Roth kommt aus Frankreich, spricht fließend Deutsch, ist Chefdirigent in Köln, spielt französische Musik mit den besten deutschen Orchestern und deutsche Musik mit einem exzellenten, von ihm selbst gegründeten Originalklangorchester in Frankreich. Les Siècles heißt dieses Ensemble. Zum Beethoven-Jahr hat François-Xavier Roth Beethovens Fünfte neu eingespielt – kombiniert mit einer Symphonie seines Pariser Zeitgenossen François-Joseph Gossec.

CD-Cover: François-Xavier Roth dirigiert Beethoven und Gossec | Bildquelle: Harmonia Mundi

Bildquelle: Harmonia Mundi

Der CD-Tipp zum Anhören

François-Xavier Roth dirigiert Beethoven und Gossec

Dieses Album gibt eine neue Antwort auf eine alte Frage: Gibt es zu Stücken, die so unendlich oft gespielt wurden wie Beethovens Fünfter, wirklich noch etwas Neues zu sagen? Die erfreuliche Standardantwort darauf lautet: Na klar, große Musik ist unerschöpflich. Der Haken daran: Dass sich dieses Neue wirklich erleben lässt, kommt leider eher selten vor. François-Xavier Roth und seinem Originalklangensemble Les Siècles ist also etwas wirklich Besonderes gelungen. Dieses Album verdient es, aus der Flut der Neuerscheinungen zum Beethoven-Jahr hervorgezogen zu werden. Aus zwei Gründen: zum einen wegen der überragenden musikalischen Qualität. Und: wegen einer erhellenden und spannenden Gegenüberstellung mit einem ziemlich unbekannten Werk.

Revolutionsklänge

In Beethovens Musik tönen die Klänge der Französischen Revolution hinein, die Märsche, die historische Ungeduld, das Wechselspiel von Drängen und Widerstand, Kampf und Durchbruch. Kein Wunder, dass Beethoven gern nach Paris gegangen wäre, dem politischen und historischen Epizentrum der Revolution, des unerhört Neuen in seiner Zeit. Aber wie klang eigentlich die Musik in der Hauptstadt der Revolution?

Vom Ancien Regime zur Revolution

Das zeigt exemplarisch das zweite Werk auf diesem stimmigen Album: die "Symphonie à 17 parties" von François-Joseph Gossec, entstanden nur ein Jahr nach Beethovens Fünfter. Hier hört man tatsächlich Zitate von Revolutionsliedern, etwa das "Ah! ça ira, les aristocrates à la lanterne!" – "Wir werden's schaffen, hängt die Adeligen an die Laterne!" Gossec war deutlich älter als Beethoven – und er hat nicht nur den Revolutionären und Napoloen, sondern zuvor auch dem Alten Regime gedient. Wes Brot ich ess', des Lied ich sing. Tolle Musik ist diese Symphonie trotzdem – gut gemacht, überraschend modern. Und der Vergleich zu Beethovens Fünfter ist ungemein erhellend.

Kurz und bündig

Dieses Album hat gefehlt…
… und das will was heißen, wenn mit Beethovens Fünfter eines der meistgespielten Stücke des Klassik-Repertoires drauf ist!

Dieses Album ist ein Hörgenuss…
… weil François-Xavier Roth mit seinem Orchester Les Siècles die Tugenden der historischen Aufführungspraxis mit dem dichten und packenden Klangerlebnis der philharmonischen Tradition verbindet.

Dieses Album hört man am besten…
… wenn man Energiezufuhr gebrauchen kann.

Immer nach vorne

Wo Gossec sich politisch klar positioniert, bleibt Beethoven vieldeutig. Dafür wirkt Beethovens Klangwelt musikalisch viel radikaler. Hier, in der Musik als Kunst, gibt es wirklich Umsturz – im beglückendsten Sinn. Beethovens Fünfte will nach vorn, sie legt die Latte maximal hoch, fordert sich selbst und die Gattung heraus, stellt sich den Widersprüchen, trägt sie aus und zielt auf Befreiung als Mobilisierung aller Lebensenergien. Beethovens Radikalität ist elektrisierend und fast ein wenig unheimlich. Entziehen kann man sich ihr nicht – jedenfalls nicht in dieser Einspielung.

Das Beste zweier Welten

Denn François-Xavier Roth und seinem auf Instrumenten der Beethoven-Zeit spielenden Orchester "Les Siècles" gelingt ein Kunststück: Sie verbinden die Durchsichtigkeit der Originalklang-Bewegung mit der Wucht des satten philharmonischen Sounds. Roth, der auch regelmäßig mit berühmten Orchestern arbeitet, die auf modernen Instrumenten spielen, verbindet die Tugenden beider Stile. Hier gibt es Rhetorik, aber keine Kurzatmigkeit, Schärfe ohne Brachialgewalt – und vor allem einen mitreißenden, unentrinnbaren, quasi alle Bedenken niederrennenden Schwung. So energetisch und sinnerfüllt zugleich hört man diese Musik selten. Und das will was heißen, bei einem so oft gespielten Stück.

Infos zur CD

Ludwig van Beethoven:
Symphonie Nr.5
François-Joseph Gossec:
Symphonie a 17 parties

Les Siecles
Leitung: François-Xavier Roth

Label: Harmonia Mundi

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