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Kritik – "Der fliegende Holländer" in Bayreuth Showdown mit Knalleffekten

Schon lange nicht mehr hat es bei den Bayreuther Festspielen so viele Premieren und Wiederaufnahmen gegeben wie in diesem Sommer. Am Samstagabend ging die Neueinstudierung der letztjährigen "Holländer"-Inszenierung von Dmitri Tcherniakov über die Bühne, mit einer zur Hälfte neu besetzten Solistenriege.

Szene aus "Der fliegende Holländer", Bayreuther Festspiele 2022 | Bildquelle: Enrico Nawrath

Bildquelle: Enrico Nawrath

Kritik

Wagners "Holländer" bei den Bayreuther Festspielen

Warum fährt man zu den Bayreuther Festspielen? Um Richard Wagners Musik in der idealen Akustik seines eigenen Theaters zu erleben. Für ein Frühwerk wie den "fliegenden Holländer" ist das erst viel später eröffnete Festspielhaus nicht optimal. Diese Romantische Oper verlangt viel Fingerspitzengefühl für die heikle Balance zwischen Sängern und Orchester. Der Dirigentin Oksana Lyniv gelang das nicht immer. Aber das wild hochfahrende Vorspiel kam enorm plastisch rüber, markant in der Artikulation, trennscharf in den Registern – eine Visitenkarte auch für das exzellente Bayreuther Festspielorchester mit seinem warmen Holz und seinem runden Blech.

Worum geht's eigentlich im "fliegenden Holländer"?

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Die Inszenierung in Bildern

Psycho-Thriller und Rache-Tragödie

Die unüberhörbaren Koordinations-Probleme zwischen Graben und dem fabelhaften Festspiel-Chor im Finale werden sich dank der "Werkstatt Bayreuth" beheben lassen. Und von Christian Thielemann kann man lernen, wie man Wagner-Sänger auf Händen trägt. Der neue Titelheld Thomas Johannes Mayer, ein manchmal etwas hohl tönender Holländer, musste jedenfalls immer wieder mal forcieren – und zog im schunkelnden Duett zum gelungenen Deal mit dem Daland des Georg Zeppenfeld den Kürzeren. Kein Wunder, zählt der Bassist mit seinem balsamischen Wohlklang und seiner Textverständlichkeit seit Jahren zu den Säulen des Bayreuther Festspiel-Ensembles.

Die Inszenierung von Dmitri Tcherniakov, die den Mythos auf eine Mischung aus Psycho-Thriller, Familien-Konflikt und Rache-Tragödie herunterbricht, hat auch im zweiten Jahr nicht an Überzeugungskraft gewonnen. Zum Vorspiel zeigt er Szenen einer frei erfundenen Vorgeschichte, die den späteren Rachefeldzug des Holländers rechtfertigen soll: Als kleiner Junge muss er mit ansehen, wie seine Mutter, eine Prostituierte, eine Affäre mit Daland hat, daraufhin von der kleinbürgerlichen Dorfgemeinschaft geächtet wird und sich erhängt.

Bayreuth-Debütantin Elisabeth Teige überzeugt als Senta

Szene aus "Der fliegende Holländer", Bayreuther Festspiele 2022 | Bildquelle: Enrico Nawrath Bayreuth-Debütantin Elisabeth Teige als Senta und Eric Cutler als Eric | Bildquelle: Enrico Nawrath Der erste Aufzug verläppert dann ziemlich in der Dorfkneipe, was nicht nur daran liegt, dass Attilio Glasers kernig-kehliger Steuermann eingeschlafen ist. Tcherniakov, stets sein eigener Bühnenbildner, hat die Bar in eines seiner Klinker-Häuschen eingebaut, die sich samt Kirchlein und Straßenlaternen immer wieder zu neuen düsteren Szenarien verschieben. Die Spinnerinnen leitet Nadine Weissmann, als Mary auch stimmlich eine gouvernantenhafte Erscheinung, zur Chorprobe an. Doch plötzlich kommt Leben in die Bude, in Gestalt der Bayreuth-Debütantin Elisabeth Teige als Senta. Sie ist die große Entdeckung des Abends mit ihrer klar geführten, schlanken, aber bis zu den hohen Hs hinauf auch schlagkräftigen Sopranstimme.

Bayreuther Festspiele 2022

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Am Ende siegen die Frauen

Elisabeth Teige intoniert perfekt, kann auch leise singen und harmoniert wunderbar mit dem strahlkräftigen Tenor Eric Cutler in der eher undankbaren Rolle des Erik. Als trotziges Girlie spielt sie dann auch beim ersten Date mit dem Holländer ihre Stärken voll aus – beim gemeinsamen Abendessen im Wintergarten Dalands und seiner Frau Mary, so deutet es Tcherniakov. Am Ende siegen die Frauen, Erlösung gibt es für den Holländer hier nicht. Wie auch, hat er doch zum Showdown wild in die Menge geschossen, drei Mitbürger getötet. Ausgerechnet Mary gibt ihm den Gnadenschuss – Tcherniakov liebt eben solche finalen Knalleffekte.

Sendung: "Allegro" am 8. August 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (2)

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Montag, 08.August, 09:41 Uhr

Brigitte Gross

Die Inszenierung...

...scheint nicht sehenswert zu sein. Triste Bilder und viel dazugedichteter Schmarren. Warum halten sich die Regisseure entweder an das Libretto oder erschaffen gleich ein eigenes Werk?

Sonntag, 07.August, 10:21 Uhr

Wagnerianerin

Der fliegende Holländer

Sehr geehrter Herr Leipold

Ich weiss nicht, welche Oper sie gestern Abend gehört/gesehen haben, aber definitiv nicht diejenige, welche das begeisterte Premierenpublikum gesehen hat.
Es scheint fast so, als ob Sie keine Ahnung von Stimmen haben. Bitte verschonen sie die Leserschaft in Zukunft mit Ihren unqualifizierten Äusserungen.

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