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Kritik – Rossinis "La gazza ladra" in Wien Eine Verbrecherin, die fliegen kann

Rossinis "La gazza ladra" war bei ihrer Uraufführung in Mailand ein voller Erfolg, wurde dann aber vergessen. Gestern hat die Oper im Theater an der Wien Premiere gefeiert – eine wunderbare Rarität mit einem Wermutstropfen.

La gazza ladra im Theater an der Wien | Bildquelle: ©Monika Rittershaus

Bildquelle: ©Monika Rittershaus

Unglaubliches geschieht derzeit im Wiener Museumsquartier, wo das Theater an der Wien renovierungsbedingt gastiert. Da wird doch tatsächlich das Hausmädchen Ninetta zum Tode verurteilt, nur weil es – angeblich – einen silbernen Löffel gestohlen hat. Verkauft hat sie so was Silbriges wirklich, aber das gab ihr der Vater, der auch mit großen Problemen kämpft. Er desertierte vom Militär und wird nun gesucht. Zudem ist auch noch Giannetto in Ninetta verliebt, bei seinen Eltern arbeitet das Mädel. Weiters haben wir einen bösen Bürgermeister, der Hilfe in der Not anbietet, aber nur gegen Mädchen-Zärtlichkeiten ... Durchaus viel Stoff für gut drei Stunden Oper, die Rossini und sein Librettist Giovanni Gherardini vor rund 200 Jahren an der Mailänder Scala heraus brachten. Hierzulande hört und sieht man das Stück selten.

Regisseur überzeugt durch Handwerk

In Wien inszeniert Tobias Kratzer sehr nah an der Vorlage, verlegt die Handlung aus dem 19. Jahrhundert in die Fast-Gegenwart (ein alter Mercedes und die Kostüme von Ausstatter Rainer Sellmaier verweisen vielleicht auf die 1980er-Jahre) und überzeugt vor allem durch tolles Handwerk. Denn das schnell geschnittene Werk mit seinen vielen Szenen braucht Timing, Präzision und die richtige Mischung aus ernsten und komischen Elementen. Es ist ja eine Opera semiseria, was man durchaus wörtlich nehmen kann und muss. Kratzer verschärft ein wenig die im Stück eher latente toxische Männlichkeit, ohne strapaziöse Gewaltorgien oder Voyeurismus zu bieten. Aber die geballte Männermacht, wie sie sich um die in einem Käfig gefangene Ninetta schart, das geht schon unter die Haut. Apropos Käfig: Der Titel verweist ja auf einen Vogel, die diebische Elster. Sie ist der Schlüssel, denn sie hat neben manch anderem auch den Löffel gestohlen. Am Ende fliegt alles auf respektive das Nest zu Boden und die Bahn ist frei fürs frohe Finale.

Zweite Ebene: die Elstern-Perspektive

La gazza ladra im Theater an der Wien | Bildquelle: ©Monika Rittershaus Ein Video zeigt die Geschichte zeitweise aus der Perspektive der Elster. | Bildquelle: ©Monika Rittershaus Tobias Kratzer und sein Videoteam (Manuel Braun, Jonas Dahl) zeigen die Sache zeitweise aus der Elstern-Perspektive, da segelt und stibitzt das Tier munter vor sich, macht dazu auch noch gemeinsame Sache mit dem auf der Bühne platzierten, exzellenten Hammerklavierspieler (Robert Lillinger). Fast geht die Diebin drauf, wird angeschossen und berappelt sich dann doch wieder, um in die Wiener Nacht zu entschwinden, sich die Innenstadt anzugucken und zuallerletzt – Spoileralarm! – im Kunsthistorischen Museum zu landen, direkt vor der berühmten Saliera, dem einst verschwundenen Gewürzfässchen von Benvenuto Cellini. Der war ja nun auch kein ganz koscherer Geselle ...

Eine wunderbare Rarität mit Wermutstropfen

Antonino Fogliani am Pult des ORF Radio-Symphonieorchester Wien hält alle Fäden gut zusammen und, dort wo nötig, in der Luft, toll auch der von Erwin Ortner einstudierte Arnold Schoenberg Chor. Herrlich das Ensemble: der geschmeidige Tenor von Maxim Mironov als Giannetto, das Elternpaar, gesungen von Fabio Capitanucci und Marina de Liso oder der üble Dorfchef Gottardo, verkörpert und interpretiert von Nahuel Di Pierro. Stimmt irgendetwas nicht an diesem Abend? Eines beziehungsweise eine: Nino Machaidzes Ninetta klingt ältlich und grob, der singuläre Wermutstropfen dieser ansonsten ganz wunderbaren Rarität.

Sendung: "Leporello" am 16. November 2022 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (3)

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Donnerstag, 17.November, 10:39 Uhr

Gufo

La gazza ladra

Ist das eine Kritik zu einem Schauspiel,einer Oper oder wazu sonst ? Eine Oper lebt von der Musik und deren Protagonisten und nicht von irgendwelchen Egoismen eines Regisseurs. Nicht zum ersten Mal werden Sänger und Orchester mit kargen Worten abgespeist, während die Handlung und das Geschehen auf der Bühne ausführlichst dargestellt werden.Da lobe ich mir so manche italienische Opernkritik,bei der sich der Autor akribisch und ausführlich mit den Leistungen von Sängern und Orchester auseinandersetzt.Auch Thielemann war schon über diese Art der deutschen Kritiken zu Recht erbost.

Donnerstag, 17.November, 08:47 Uhr

Verwunderter

Sonderlob für den gewieftesten Abzocker...

...geht wieder mal an das Team von Regisseur und Ausstatter.

Dem übermittelten Foto nach zu urrteilen mal wieder mit minimalen Aufwand ein superhässliches Ambiente geschaffen. Eine Schrottmühle auf der Bühne, schon tausendmal gesehen, schon tausendmal von Schrottmühlenhändler und Regisseur und Ausstatter in klingende Münze umgewandelt.

Das angeblich so hochgeistige Publikum wieder mal übertölpelt, als bestünde es aus lauter Dorfdeppen, die sich auf der Kirmes von skrupelosen Betrügern mit billigen Tricks ausnehmen lassen.

Donnerstag, 17.November, 08:01 Uhr

Verwunderter

Selbsthass

Wieviel feministische Propaganda muss man gedankenlos aufgesogen haben, wenn man als Mann den Schwachsinnsbegriff "toxische Männlichkeit" gebraucht. Ich verstehe ja, dass man als Journalist sich verbiegen muss, um der vorgegebenen Agenda zu dienen. Doch alles muss eine Grenze haben! Seine Würde sollte man nicht aufgeben müssen.

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