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Musikausbildung in der Krise Der steinige Weg zum Traumberuf

Von Studien gestützte Schätzungen besagen, dass nur knapp ein Fünftel aller Absolventinnen und Absolventen von Musikhochschulen auf eine Festanstellung im Orchester hoffen darf. Die anderen werden freiberuflich tätig, wenn sie nicht sogar in eine ganz andere Branche wechseln. Doch für freie Musikschaffende braucht es viel Fantasie und Durchhaltevermögen, denn der Job ist nicht krisensicher. Die aktuelle Corona-Pandemie macht das mehr als deutlich.

Ein Kontrabass liegt am Boden | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Wer den Traum von einer Musikerkarriere heute leben möchte, muss früh anfangen, viel Zeit und Engagement investieren und einen langen Atem haben. Hat man von Kindesbeinen an fleißig ein Instrument geübt und es dank des eigenen Talents bereits zu hohem technischen und musikalischen Können gebracht, kann man es mit der Aufnahmeprüfung an einer der Musikhochschulen versuchen. Spätestens an diesem Punkt beginnt dann die gnadenlose Auslese.

Der harte Kampf um die Studienplätze

Die Studienplätze sind begehrt. Die Anzahl der Bewerbungen übersteigt sie in der Regel um ein Vielfaches. Mehr Studenten aufzunehmen, würde aber wenig Sinn ergeben, meint Bernd Redmann, Rektor der Hochschule für Musik und Theater München: "Wir sollten im künstlerischen Bereich die Kapazitäten an Ausbildung nicht ausweiten. Vielmehr sollten wir wirklich sehr darauf achten – auch im Sinne der jungen Menschen, die ein Musikstudium machen wollen – dass nur diejenigen aufgenommen werden, die wirklich gute Chancen haben, sich in diesem Traumberuf Musik auch erfolgreich etablieren zu können."

Es fehlt an alternativen Berufsbildern

Musikerinnen mit Violine und Cello | Bildquelle: picture alliance / Zoonar | Svyatoslav Lypynskyy Es gibt deutlich weniger Orchesterstellen als junge Musikerinnen und Musiker an Hochschulen ausgebildet werden. | Bildquelle: picture alliance / Zoonar | Svyatoslav Lypynskyy Mit einem Studienplatz steigt zwar die Chance auf den Musikerberuf, eine Garantie dafür ist er aber nicht. Denn die Zahl der Hochschulabsolventen ist abermals um ein Mehrfaches höher als die tatsächlich verfügbaren Beschäftigungsmöglichkeiten für Musikerinnen und Musiker. Vor allem diejenigen, die auf eine feste Stelle im Orchester spekulieren oder gar auf eine Solo-Karriere, werden häufig enttäuscht. Seit einigen Jahren ist die Festanstellung im Musikbetrieb, so sehr sie noch das tradierte Bild vom Musikerberuf prägen mag, längst nicht mehr die Regel.

Was wir brauchen, ist eine höhere Diversität an potentiellen Berufsbildern.
Esther Bishop

Auch wenn den Studierenden künstlerisch-musikalischer Fächer die veränderte Situation zunehmend bewusst wird, sind die Vorstellungen über mögliche Alternativen in der Regel kaum vorhanden. Esther Bishop, diplomierte Oboistin, forscht seit einem knappen Jahrzehnt zu den beruflichen Chancen von Hochschulabsolventen im Musikbetrieb und mahnt Veränderungen an: "Was wir sicherlich brauchen, ist eine höhere Diversität an potentiellen Berufsbildern, die man mitdenkt, wenn man Musik studiert und Studiengänge konstruiert", sagt sie. Ein Studium sollte die Studierenden idealerweise in die Lage versetzen, ihren eigenen Weg zu finden. "Wenn wir so übers Musikstudium nachdenken, wenn wir eine größere Diversität an möglichen Berufswegen im Hinterkopf haben, dann erübrigt sich diese Diskussion darüber, ob es jetzt genug sind."

Musikhochschulen reagieren auf das veränderte Arbeitsfeld

Auf das oft vorgebrachte Argument, dass schlichtweg zu viele Musikerinnen und Musiker ausgebildet werden, möchte sich Esther Bishop gar nicht erst einlassen. Geht man davon aus, dass es eben nicht die feste Stelle in einem Orchester oder im Opernensemble sein muss, gibt es viele Möglichkeiten in der Branche. Als Freiberufler kann man die eigene Karriere individuell nach seinen Begabungen und Neigungen gestalten. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass man in der Ausbildung entsprechend vorbereitet wird. An den Musikhochschulen hat sich da in der Vergangenheit schon einiges getan: die Angebote sind so zahlreich wie vielfältig – sowohl mit Blick auf die eigentliche Musikpraxis, aber auch weit darüber hinaus. Da können Studierende Schwerpunkte setzen, indem sie sich zum Beispiel auf Kammermusik spezialisieren oder auf historische Aufführungspraxis. Außerdem können sie unternehmerische Kompetenzen erwerben und sich Fähigkeiten im Umgang mit den Medien und in der Musikvermittlung aneignen.

Zusätzliches Rüstzeug ist gefragt

Bild von Noten an einer Tafel | Bildquelle: © picture alliance / Sebastian Gollnow / dpa Alternative Berufsbilder sind wichtig - etwa in der Musikvermittlung. | Bildquelle: © picture alliance / Sebastian Gollnow / dpa Immer wichtiger werden zudem digitale und technische Skills wie das Bauen einer Website oder die Arbeit im Tonstudio. Auch in diesem Punkt holen Musikhochschulen mittlerweile auf und machen den Studierenden Angebote. Kulturmanagerin und PR-Fachfrau Kathrin Hauser-Schmolck findet aber noch einen weiteren Aspekt sehr wichtig: "Der Hauptfachlehrer sollte die individuelle Begabung und Motivation erkennen und fördern. Er sollte nicht nur das technische und musikalische Rüstzeug mitgeben, sondern auch eine psychologische Führung geben, gemeinsame Ziele setzen, evaluieren und auch über unterschiedliche Wege mit den Musikern diskutieren."

Der Hauptfachlehrer sollte die individuelle Begabung und Motivation erkennen und fördern.
Kathrin Hauser-Schmolck, Kulturmanagerin

Feedback-Kultur für Studierende

Für Professorinnen und Professoren ist es gar nicht so einfach, einem Studierenden sagen zu müssen, dass es doch nicht für den Berufstraum reichen wird. Immerhin arbeiten die jungen Musikerinnen und Musiker schon ihr Leben lang auf eine Orchesterstelle oder Solo-Karriere hin. Aber eine Feedback-Kultur ist trotzdem wichtig. In diesem Punkt können sich Musikhochschulen sicher noch weiterentwickeln. Es muss darum gehen, Träume geradezurücken ohne sie gleich zu zerstören. Das geschieht, indem man die beruflichen Möglichkeiten aufzeigt, die gut ausgebildeten Musikerinnen und Musikern im Musikbetrieb oder auch außerhalb generell offenstehen – damit aus dem Traum von der Musiker-Existenz kein Alptraum wird.

Sendung: "Das Musik-Feature" am 19. Februar 2021 ab 19:05 Uhr auf BR-KLASSIK (Wiederholung am 20. Februar 2021 ab 14:05 Uhr)

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