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Premierenkritik "Salome" in Stuttgart

Die Stuttgarter Inszenierung von Kirill Serebrennikov zeigt Salome als moderne Lolita, die den Kopf eines extremistischen Propheten fordert. Wird diese Inszenierung Richard Strauss gerecht?

Szene aus "Salome" an der Staatsoper Stuttgart | Bildquelle: Staatsoper Stuttagrt/A.T. Schaefer

Bildquelle: Staatsoper Stuttagrt/A.T. Schaefer

Premierenkritik

Salome in Stuttgart

Jochanaan, der Prophet, kommt in dieser Oper eigentlich nie gut weg. Letztlich ist er ein Eiferer, der kaum Konkretes von sich gibt und nur immer wiederholt, der Erlöser werde kommen. Strauss macht das in der Musik überdeutlich, wenn er ihn immer dieselben musikalischen Phrasen singen lässt, und das mit Stentorstimme. Iain Paterson gestaltet ihn mit klangschönem und, der Rolle entsprechend, fast orgelndem Bariton.

In der Inszenierung von Kirill Serebrennikov hat dieser Prophet noch erheblich düsterere Seiten. Serebrennikov lässt ihn zweimal auftreten, einmal als Stimme des Propheten, gesungen von Iain Paterson, der im grauen Gesellschaftsanzug auf der Bühne steht. Der eigentliche Jochanaan wird gespielt von Yasin el Harrouk. Er tritt als Terrorist auf, der von der Staatsmacht gefangengenommen wurde. Serebrennikovs Inszenierung ist sarkastisch. Und sehr politisch realistisch zugleich.

Prophet aus dem Lager islamistischer Extremisten

Jeder eifernde Prophet hat gefährliches Potential. In diesem Fall kommt er aus dem Lager des islamistischen Extremismus. Während seiner Prophezeiungen sehen wir auf einer Videoleinwand ein Erschießungskommando am Werk, und wenn er verheißt, dass im künftigen Reich Feigen vom Himmel fallen würden, dann fallen auf der Videoleinwand Bomben aus Flugzeugen. So ist denn Salome vor allem fasziniert von seiner Stimme, der Stimme des Propheten, die auch dann noch weiterwirken wird, wenn sie ihn enthaupten lässt.

Mit Brachialgewalt auch in der Musik

Bühnen-Szene: "Salome" Stuttgart | Bildquelle: A.T. Schäfer Matthias Klink (Herodes) und Claudia Mahnke (Herodias) | Bildquelle: A.T. Schäfer Simone Schneider wirkt geradezu mädchenhaft jung, mit kleiner schlanker Statur, aber einer Stimme, die vom Pianissimo bis zum - stets wohl klingenden - Fortissimo alle Register beherrscht. Herodes ist ein Machtmensch, durch die Ehe mit Herodias an die Macht gekommen, und leidet nun unter Verfolgungswahn, daher werden auf den Leinwänden immer wieder die Bilder der Überwachungskameras eingeblendet, die das ganze hochherrschaftliche Haus beobachten.

Matthias Klink liefert eine faszinierende Charakterstudie des Psychopathen. Während er seine Stieftochter mit Blicken verschlingt, treibt seine Frau es derweil im Schlafgemach gleich mit zwei schwarzen Lovern. Das ist eine in jeder Faser dekadente Welt, gegen die religiöse Fanatiker aufbegehren, auch das hat Serebrennikov genau analysiert, denn Jochanaan richtet seine Anklagen nicht gegen die Andersgläubigen, sondern gegen die verkommene Königin Herodias. Dirigent Roland Kluttig bringt die Brachialgewalt der Musik voll zur Geltung und fächert zugleich die Partitur fast kammermusikalisch auf. Diese Welt ist so verdorben, dass Salome sich nicht einmal bemühen muss, in ihrem Tanz der sieben Schleier lasziv erotisch zu wirken.

Eine hochaktuelle Inszenierung

Salome tritt nur einmal kurz als kleine Lolita mit Tütü auf, dann schaut Herodes nicht mehr hin, sondern ergibt sich Tagträumen von einem glücklichen, aller Sorgen baren Herrscher - auf dem Video sehen wir Angela Merkel lachen und beim Tor der Deutschen bei der WM jubeln. So ist eine Inszenierung entstanden, die Richard Strauss gerecht wird und zugleich hochaktuell ist.

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