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Richard Strauss Ein Heldenleben

Allem Anschein nach schien sich Richard Strauss in "Ein Heldenleben" über seine Kritiker zu beschweren. Doch hatte er überhaupt Grund zum Klagen? Wiebke Matyschok stellt das Werk gemeinsam mit dem Dirigenten Ingo Metzmacher vor.

Bildquelle: Richard Strauss Institut/Bearbeitung: BR

Die Sendung zum Anhören

Richard Strauss hatte München – bekränzt mit sieben Lorbeerkränzen – verlassen, um in Berlin Karriere zu machen. Ein Angebot der Met in New York hatte er trotz eines noch größeren Gehalts ausgeschlagen. Es ging steil aufwärts mit dem bajuwarischen Genie in der Reichshauptstadt. Er wurde Direktor der königlichen Hofoper und auch die erste in Berlin vollendet Komposition – die Symphonische Dichtung "Ein Heldenleben" – wurde glänzend honoriert und sobald aufgeführt. Allem Anschein nach schien sich der Komponist und Dirigent in diesem Stück über seine Kritiker zu beschweren. Doch hatte er überhaupt Grund zum Klagen? Neben dieser kuriosen Geschichte schien diese Symphonische Dichtung vielleicht auch ungewohnt moderne Töne anzuschlagen.

"Unglaublich modern"

Der Dirigent Ingo Metzmacher sagt über "Ein Heldenleben": "Ich finde Heldenleben ein aufregendes Stück. Wegen diesem Kampf mit dem Widersacher. Das ist ein wirklich toller Moment. Unglaublich modern. Ich suche ja immer nach den modernen Momenten in der Musik. Da ist er unglaublich weit gekommen, wenn man an das Entstehungsjahr denkt."

Das ist ein wirklich toller Moment.
Ingo Metzmacher über die Kampfszene im Heldenleben

Die Vita eines bajuwarischen Genies?

Dirigent Ingo Metzmacher | Bildquelle: Harald Hoffmann Der Dirigent Ingo Metzmacher | Bildquelle: Harald Hoffmann Held und Welt. Zwei Worte, die der Komponist knapp, aber vielsagend über die ersten Skizzen seiner neuesten sinfonischen Dichtung schrieb. Ein gigantischer Symphoniesatz. Ein üppig besetztes Werk für großes Orchester. Acht Hörner, fünf Trompeten, vierfach besetzte Holzbläser und mindestens 64 Streicher. Außerdem volles Schlagwerk. "Ein Heldenleben", vollendet 1898. Aus dieser größenwahnsinnig besetzten Musik tönte angeblich die Vita eines bajuwarischen Genies, der seine Kritiker selbst auf diese Fährte gelockt hatte. Vielleicht wollte er sie ja nur an der Nase herum führen. Voller Satire und Spott. Raffinesse und mit allen Tricks eines Komponiervirtuosen.

Kampf gegen Windmühlen

Vordergründig erklang da die Geschichte eines Komponisten, der seine Frau – eine bezaubernde wie launische Diva – anbetet. Der gegen seine Widersacher – die Musikkritiker – in den Krieg zieht, um nach siegreich gewonnener Schlacht sich selbst und seine Friedenswerke zu feiern. Und wie Don Quixote, dessen Kampf gegen die Windmühlen und sonstige Abenteuer Strauss zuvor in Töne gesetzt hatte, zieht er sich schließlich aufs Land zurück. Unendlicher Schöngesang. Des Helden Weltflucht und Vollendung?

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Eintrittskarte zur feinen Gesellschaft

Richard Strauss. Illustration aus der Berliner Musikund Theaterzeitung, 1902: “Des Helden Widersacher”. Lithographie. | Bildquelle: picture alliance / akg-images Richard Strauss, der "Held". Zeitgenössische Karikatur | Bildquelle: picture alliance / akg-images "Die übrigen spucken Gift und Galle, hauptsächlich, weil sie aus der Analyse zu ersehen glaubten, dass mit den recht hässlich geschilderten Nörglern und Widersachern sie selbst gemeint seien", machte sich der junge Held Richard –  gerade einmal 34 Jahre alt – über seine Kritiker lustig. "Sehr scharf und spitzig, schnarrend, zischend", hatte er in der Partitur über dem Geschwätz der Holzbläser vermerkt. Diese Musik sollte die Eintrittskarte des neuen königlichen preußischen Hofopernkapellmeisters in die feine Gesellschaft der Reichshauptstadt werden. "Ein Heldenleben" erklang in Berlin zum ersten Mal in einem Philharmonischen Konzert zugunsten der Witwen- und Waisenfonds. Rein äußerlich schien dieser Richard Strauss – hochgewachsen, hellhäutig, schlank – so rein gar nichts Heldenhaftes an sich zu haben. Auch wenn er beim Abschied in der Oper seiner Vaterstadt München mit sechs Lorbeerkränzen bedacht worden war. Mit seiner Eleganz – seinem fast lässig wirkenden Dirigierstil – zog er Berlin schnell in den Bann: "Seine Hände ziehen die Aufmerksamkeit auf sich", schrieb der Schriftsteller Romain Rolland nach einer Begegnung, "schmal, lang, sehr gepflegt und auf eine etwas krankhafte Weise aristokratisch, die nicht zu seiner sonstigen, eher zwanglosen und bürgerlichen Erscheinung passt."

Es-Dur und viele Hörner

Ansonsten hatte sich der junge Richard mit seiner Frau Pauline und Bubi – dem kleinen Sohn Franz – in Berlin eingerichtet. Er lobte die Reichshauptstadt mit ihren "herrlichen Verkehrsmittel, fand die Lage seiner Wohnung in der feinen Knesebeckstraße "wundervoll". Die Familie erfreute sich an allen Bequemlichkeiten des Haushalts inklusive eines Telefonapparats. Und auch die Dienstbotenfrage war bald gelöst. Alles schien in bester Ordnung, doch hatte Strauss bald an seinen Vater geschrieben: "Da Beethovens 'Eroica' bei unseren Dirigenten so sehr unbeliebt ist und daher nur mehr selten aufgeführt wird,", durchzog ein sarkastischer Unterton sein Schreiben, "componire ich jetzt, um einem dringenden Bedürfnis abzuhelfen, eine größere Tondichtung 'Heldenleben' betitelt, zwar ohne Trauermarsch, aber doch in Es-Dur, mit sehr viel Hörnern, die doch einmal auf Heroismus geaicht sind."

Keine Eroica-Kopie

Ingo Metzmacher sagt dazu: "Erst einmal ist die Information interessant, dass die Dirigenten die 'Eroica' nicht wirklich dirigieren wollen. Das versteht man heute nicht mehr so sehr. Natürlich die Tonart ist schlagend gleich: Es-Dur. Gut für die Hörner. Die Hörner spielen ja auch in der 'Eroica' eine wichtige Rolle im Trio des Scherzos. Strauss wollte aber keine Kopie schreiben. Sondern aus seiner Sicht einen Helden schildern. Und wie er sich am Schluss verabschiedet, das finde ich sehr berührend."

Neuer Schluss

Pauline Strauss | Bildquelle: crescendo Richard Strauss' Gattin Pauline | Bildquelle: crescendo "Richard, das ist wieder ein Pianissimo-Schluss. Das Publikum glaubt ja gar nicht, dass Du Forte schließen kannst", soll angeblich ein Besucher beim Frühstück über des das leise Verklingen von Solo-Geige und Horn bemerkt haben. Und angeblich kritzelte der junge Richard zwischen Toast und Tee einen neuen Schluss aufs Papier. Eine majestätische Begräbnisszene. Sie wirkte wie aufgesetzt. Erklang da tatsächlich eine launische Rhapsodie über die Befindlichkeiten eines Komponisten? Tatsächlich verraten die programmatischen Überschriften der einzelnen Abschnitte kaum mehr über die Musik als Banalitäten. "Damit habe ich meine Frau darstellen wollen", bemerkte Strauss später vielsagend über "Des Helden Gefährtin". Eine Sängerin: Pauline, geborene Pschorr, Tochter einer Brauereibesitzer-Familie: "Sie ist sehr kompliziert, sehr viel Frau, nie zweimal dieselbe." Szenen einer Ehe?

Warum sieht man nicht das Neue in meinen Werken?
Richard Strauss

30 Zitate

Des Helden Friedenswerke. Da erklingen schließlich nicht weniger als 30 Zitate aus Strauss' eigenen Werken, kaum hörbar im Schönklang der Musik. So viel Eitelkeit und Größenwahn hatten sich nicht einmal Beethoven oder Wagner erlaubt. Eine Fundgrube für Zitat-Archäologen. Jahre später beklagte sich der Komponist über das "Suchen der Herrn Musikgelehrten nach ‚persönlich Erlebtem‘ und 'Bekenntnishaftem'" in seiner Musik. Längst schon gaben andere den Ton an nach Entfesselung der Tonalität und Erfindung der Zwölftonmusik: "Warum sieht man nicht das Neue in meinen Werken, wie in ihnen, wie nur noch bei Beethoven, der Mensch sichtbar in das Werk spielt?"

Gesetze sind wichtiger als Geschichten

Ingo Metzmacher sagt abschließend über das "Heldenleben": "Man soll sich nicht vorstellen, dass da Jemand nur nach persönlichen Vorlieben handelt. Strauss schreibt einfach ein Stück, in dem sich einfach Gesetze von selbst formulieren beim Komponieren – Gesetze, nach denen dieses spezifische Stück funktioniert. Und diesen Gesetzen muss man einfach bei der Interpretation gerecht werden. Das ist letztlich wichtiger für das Stück als persönliche Geschichten."

Musik-Info

Richard Strauss:
Ein Heldenleben, op. 40


Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: Ingo Metzmacher
Label: Challenge Classics

Sendung: "Das starke Stück" am 31. Mai 2022, 19:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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