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CD - Alexander Melnikov spielt Klaviermusik von Debussy

Wenn ein Künstler als "einer der spannendsten Pianisten seiner Generation" bezeichnet wird, dann neigt man vielleicht reflexhaft zur Vorsicht. Doch Alexander Melnikov ist damit tatsächlich gut getroffen. Ganz sicher gehört er zu den derzeit vielseitigsten Pianisten, spielt Schostakowitsch und Prokofjew auf dem Steinway nicht weniger überzeugend wie Schubert auf einem Hammerflügel, ist ein ebenso virtuoser Solist wie feinfühliger Kammermusikpartner. Mit seinem neuen Album fügt Melnikov seiner umfangreichen Diskographie eine neue Facette hinzu, denn Debussy hat er bislang nicht veröffentlicht.

CD-Cover: Alexander Melnikov spielt Debussy | Bildquelle: Harmonia Mundi

Bildquelle: Harmonia Mundi

Der CD-Tipp zum Anhören

Claude Debussy und das Pariser Konservatorium verband nicht unbedingt eine heiße Liebe. So manche Unterrichtsstunde ließ der junge Musikstudent eher über sich ergehen, als dass sie ihn inspiriert hätte. Entsprechend galt Debussy bei seinen Professoren nicht gerade als Musterschüler. Mit hochgezogenen Augenbrauen attestierten sie ihm, immerhin liebe er die Musik, auch wenn er sich nicht für das Klavier interessiere. Ein fundamentales Missverständnis. Nur 20 Jahre später sollte Debussy den Klavierstil revolutionieren und gleichzeitig die Gesetze und Regeln der traditionellen Harmonielehre massiv ins Wanken bringen. Man hätte es ahnen können, als der jugendliche Musikrevoluzzer seinen Lehrern und Mitschülern entgegenschleuderte: "Seid ihr nicht imstande, Akkorde zu hören, ohne nach ihrem Pass und ihren besonderen Kennzeichen zu fragen? Woher kommen Sie? Wohin gehen Sie? Muss man das unbedingt wissen? Hört sie an, das genügt!"

Angedeutete Programmatik

1910 und 1913 veröffentlicht Debussy nach bedeutenden Klavierzyklen wie den "Images" die beiden Bände seiner "Préludes". Längst ist aus dem jugendlichen Querulanten ein anerkannter, wenn auch immer noch umstrittener Komponist geworden. Anders als früher verzichtet Debussy dieses Mal bewusst auf Überschriften, liefert sie nur am Ende in Klammern nach, stellt sie also quasi in Anführungszeichen. Allzu sklavisch sollen die Pianisten sich nicht an das von ihm nur angedeutete Programm halten. Auch wenn Debussy wie kaum ein zweiter der Natur eine musikalische Stimme verlieh, es ist ein Missverständnis, ihn für einen Programmusiker und impressionistischen Stimmungsmaler zu halten.

Wunderbar weiche Klangfarben

All das ist Alexander Melnikov völlig bewusst. Auf seinem neuen Album mit dem zweiten Band von Debussys "Préludes" setzt er ganz auf Klarheit und durchsichtige Strukturen, benutzt das Pedal äußerst zurückhaltend, taucht Debussy gleichsam ins helle Licht der Aufklärung. Vor allem aber entlockt Melnikov seinem Instrument, einem um 1885 gebauten Flügel der französischen Klavierbaufirma Érard, wunderbar weiche Farben, Klangfarben, die ein modernes Instrument so wohl kaum hergäbe.

Unglaublich delikat musiziert

Davon profitiert enorm auch das zweite Werk auf diesem neuen Debussy-Album, die Sinfonischen Skizzen "La Mer". So schwer bis unmöglich es ist, Debussys Klavierwerke zu orchestrieren, darin unterscheidet er sich fundamental von Maurice Ravel, umgekehrt funktioniert es bestens. Erstaunlich aber wahr: In Debussys eigener vierhändiger Fassung von "La Mer" vermisst man die Orchesterfarben kaum,  gerade in dieser neuen, rhythmisch agilen, was die Farben angeht unglaublich delikat musizierten Aufnahme von Alexander Melnikov und seiner Partnerin Olga Pashchenko. Sie sind die ungemein kundigen Führer im wundersamen Reich jener Akkorde ohne Pass, die der junge Debussy so vehement beschwor.

Alexander Melnikov spielt Debussy

Claude Debussy:
Préludes, Buch II
"La Mer"

Alexander Melnikov, Olga Pashchenko (Klavier)

Label: Harmonia Mundi

Sendung: "Leporello" am 27. Juni 2018, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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