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CD - Dejan Lazic "The London Connection"

Für die Zeitgenossen war das wieder mal so eine verrückte Idee – eben typisch Beethoven: Sein Violinkonzert beginnt mit vier unbegleiteten, ganz leisen Paukenschlägen. Für diesen originellen Einstieg hatte das Publikum bei der Uraufführung kein Ohr, vielleicht auch, weil es was ganz anderes von Beethoven erwartete, eben etwas irgendwie Heroisches oder Dramatisches. Stattdessen folgt ein Satz voll schwebender Melodien und himmlischer Längen.

CD-Cover: Dejan Lazic - "The London Connection" | Bildquelle: Onyx

Bildquelle: Onyx

Der CD-Tipp zum Anhören

Das Violinkonzert, heute längst eines der beliebtesten Werke von Beethoven, ja das Violinkonzert schlechthin, fiel erstmal durch und wurde zunächst kaum gespielt. Deswegen freute sich Beethoven, als der Londoner Virtuose Muzio Clementi eine Klavierfassung des Stücks bei ihm bestellte. Aber funktioniert das denn – bei dieser Musik, die doch ganz von der Melodie lebt, vom gesanglichen Ton der Geige? Ist nicht das Klavier viel zu sehr Schlaginstrument, um diese weiten Bögen und schwebenden Linien wirklich auskosten zu können?

Darüber kann man natürlich streiten. Geiger rümpfen gewöhnlich die Nase über die Klavierfassung ihres Paradewerks. Aber immerhin – sie stammt vom Komponisten selbst. Und der war als Pianist der Meinung, dass man, Zitat: "auf dem Klavier auch singen könne, sobald man nur fühlen kann". Der kroatische Pianist Dejan Lazic kann beides. Er ist ein echter Poet auf dem Klavier. Was sein Instrument nicht kann, nämlich den Ton verändern, nachdem die Taste einmal niedergedrückt wurde, das kompensiert Lazic durch eine meisterhafte Kunst des Anschlags. Er lässt das Klavier singen, fast wie eine Geige, aber nicht nur das: er kann auch meißeln und zupfen – und hat schließlich auch ein paar Möglichkeiten parat, bei denen das Originalinstrument passen muss.

Originale Kadenzen

Die Vielseitigkeit des Klaviers schöpft Beethoven in den eigens komponierten Kadenzen aus: vollgriffige Akkorde und mächtige Klangentfaltung sind Spezialitäten des Klaviers. Hier haben die Pianisten gegenüber den Geigern die Nase vorn. Denn originale Kadenzen gibt es nur für die Klavierfassung. Und wieder hatte Beethoven dabei eine verrückte Idee: Mitten in der Solokadenz ergreift die Pauke das Wort und unterhält sich mit dem Klavier.

Mit Biss und Attacke

Schon wegen dieser originellen Kadenz lohnt sich die Klavierfassung. Ganz besonders in dieser exzellenten Einspielung. Denn der kroatische Pianist Dejan Lazic gehört zu den Großmeistern auf seinem Instrument. Und er hat sich fantastische Partner ausgesucht: Das niederländische Kammerorchester unter Gordan Nikolic spielt wunderbar zupackend, mit Biss und Attacke, schlankem Klang und großartigen Bläsersolisten.

Wirklich spannend

Eine aufregende Ergänzung bringen zwei unbekannte Klaviersonaten, die in unmittelbarer Nachbarschaft zur Klavierfassung von Beethovens Violinkonzert entstanden sind. Die eine stammt von Muzio Clementi, der jene Klavierfassung in Auftrag gab, die andere von Clementis Schüler Johann Baptist Cramer. Da ist tolle Musik zu entdecken. Dejan Lazic widmet sich ihr mit der gleichen Fantasie und Hingabe wie dem berühmten Werk von Beethoven. Eine wirklich spannende CD, intelligent zusammengestellt und großartig gespielt.

Dejan Lazic – "The London Connection"

Ludwig van Beethoven:
Klavierkonzert op. 61a nach dem Violinkonzert op. 61
Muzio Clementi:
Klaviersonate h-Moll op. 40 Nr. 2
Johann Baptist Cramer:
Klaviersonate E-Dur op. 62 "Le retour a Londres"

Dejan Lazic (Klavier)
Netherlands Chamber Orchestra
Leitung: Gordan Nikolic

Sendung: "Leporello" am 25. Mai 2018, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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