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CD - Lynne Arriale Trio "Give Us These Days"

Auf dem Cover der CD: das Porträt einer zarten Schönheit, beglückt lächelnd mit geschlossenen Augen. Auf diese Frau wird man sofort neugierig. Der gleiche Effekt stellt sich ein, wenn die Pianistin Lynne Arriale die ersten Töne auf ihrem neuen Album spielt. Von einem Jazz, der so elegant und kraftvoll klingt, von einem solchen Klang und solcher Energie möchte man einfach immer noch mehr und wird über die gesamte Albumlänge hinweg nicht enttäuscht.

CD-Cover Lynne Arriale Trio: "Give Us These Days" | Bildquelle: Challenge Records

Bildquelle: Challenge Records

CD-Tipp 28.05.2018

Lynne Arriale Trio: "Give Us These Days"

Alles beginnt mit einem Ostinato, das man im Jazz einen "Vamp" nennt. Eigentlich eine unspektakuläre Angelegenheit, aber wenn man es mit so viel innerer, zielgerichteter Kraft auflädt wie Lynne Arriale und ihre Rhythmusgruppe das tun, wird daraus ein packender Einstieg für eine ganze CD, und obendrein ein wunderbares Vorspiel für ein akustisches Déjà Vu.

Hippie-Hymne in Jazz übersetzt

Wer mit Pop, Rock und Folk der 70er Jahre aufgewachsen ist, erkennt sie bald: Joni Mitchells Hymne zum großen 60er Jahre Hippie-Festival "Woodstock". Brillant in Jazz übersetzt mit subtilen, aber effektvollen Intervallspannungen. In dem Solo, das sich an die klar ausformulierte Vorstellung der Melodie anschließt, baut die amerikanische Pianistin zusammen mit Bassist Jasper Somsen und Schlagzeuger Jasper Van Hulten von ganz reduziert gesetzten Tönen ausgehend eine sich in immer ekstatischere Gefilde schraubende Dynamik auf. Wenn diese sich in einem kraftvollen Höhepunkt entlädt, wird Lynne Arriale zur Schwester im musikalischen Geiste von Powerspielern wie etwa John Coltranes Pianist McCoy Tyner.

Konzentrierte Intensität

Lynne Arriales fast zerbrechlich wirkende Schönheit und ihre absolut bestimmte und wahrhaftige musikalische Kraft bilden einen reizvollen Kontrast, der sicher auch zu ihrem Erfolg in 25 Jahren internationaler Laufbahn beigetragen hat. Ihre Konzerte sind ein Erlebnis in der Kategorie konzentrierter Intensität – wie etwa ihr Auftritt bei der Jazzwoche Burghausen im Jahr 2005 belegt. Dabei schwingt ihre Kraft auch mit und wird zu purer Poesie, wenn sie ganz leise Töne anschlägt, so wie im Titelstück der CD, das sie – wie fünf weitere – selbst komponiert hat.

Swingende Bebop-Reminiszenzen

Die klassisch ausgebildete Pianistin war Mitte 20, als sie sich dem Jazz zuwandte und verschrieb. Mit 35 gewann sie die Great American Jazz Piano Competition und begann weltweit zu touren – ihre Bands dabei häufig prominent besetzt und ihre Programme eine Kombination von bekannten Jazz- und Popsongs und eigenen Stücken. Interpretierend und komponierend fächert Lynne Arriale auf ihren CDs – und auch auf ihrer aktuellen – im eigenen Personalstil die Bandbreite der Jazzspielarten auf. Swingende Bebop-Reminiszenzen gehören dazu natürlich auch.

Erkennbar eigene Stimme

Im Jazz steht der Ausbau der eigenen spielerischen Persönlichkeit, die erkennbar eigene Stimme zu haben in der großen Vielfalt der Stimmen, ganz oben auf der Liste dessen, was man erreichen sollte. Lynne Arriale hat beides und zeigt auf ihrem 13. Album, wie man – damit ausgestattet – immer von neuem überzeugen und überraschen kann. Fulminant ist das, unbedingt anhören meine Empfehlung.

Lynne Arriale Trio: "Give Us These Days"

Lynne Arriale (Klavier)
Jasper Somsen (Bass)
Jasper Van Hulten (Schlagzeug)

Label: Challenge Records

Sendung: "Leporello" am 28. Mai 2018, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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