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CD - Capella de Ministrers Quattrocento einmal anders

Die Capella de Ministrers entwirft ein lebendiges Bild der Theater- und Tanzmusik fernab von Florenz, am Hofe der Krone Aragón zu Neapel.

Capella de Ministrers | Quattrocento | Bildquelle: Capella de Ministrers

Bildquelle: Capella de Ministrers

Ein Ausdruck der Bewegungen des Geistes: so wurde der Tanz verstanden im frühen Renaissance-Humanismus. Die Wiederbelebung des antiken Theaters sollte am Königshof von Neapel aber gleichzeitig auch den Herrscher preisen. Das war seit 1442 Alfons V. von Aragón. Mild und klug soll er gewesen sein, genannt "El Magnànim", der Großmütige, dem Wohlleben und den Künsten  zugetan. Unter seiner Regentschaft entfaltete sich ein blühendes humanistisches Zentrum fernab vom allgegenwärtigen Florenz. "Quattrocento" heißt denn auch diese CD, auf der Carles Magraner mit seiner Capella de Ministrers die höfischen Tanz- und Theatermusiken rekonstruiert hat. Mit eingebunden war Cecilia Nocilli als Spezialistin für historischen Tanz und Musik.

Lebendig-musikantisch arrangierte Klanglandschaft

Die bunte Besetzung umfasst Posaunen, die zu dieser Zeit wohl gerade im Kommen waren, eine spanische Variante der Schalmei, die Chirimía, verschiedene Flöten und Streichinstrumente, ein frühes Tasteninstrument, das Exaquier, dann - natürlich - Renaissance-Gitarre bzw. Vihuela, dazu Trommeln und Perkussion. Damit gestaltet die Capella de Ministrers aus den überlieferten Noten eine sehr lebendig-musikantisch arrangierte Klanglandschaft mit vielfältigen Rhythmen, schönen musikalischen Ideen und Improvisationen.

Fantasie, Improvisation, Tradition

Aber ob das im 15. Jahrhundert wirklich so geklungen haben mag? Mit Kastagnetten und Gitarrenrasgueados, die doch so stark an den erst Jahrhunderte später aufkommenden Flamenco erinnern? Freilich greift der wiederum auf zum Teil sehr alte Wurzeln und Traditionen zurück. Aber sei's drum, die Instrumentalmusik dieser Zeit nachzustellen, verlangt nun einmal nach viel Fantasie. Und wie soll ein Musiker von heute überzeugend spielen, gerade auch improvisatorisch, wenn er oder sie nicht auf die Reflexe seiner eigenen musikalischen Sozialisierung zurückgreifen kann? Es finden sich aber ebenso Anklänge an die Musik des arabischen Kulturraumes und - hier passt das Bild - auch Assoziationen an die mittelalterlichen Spielleute kommen auf.

Gesamtbild des Musiklebens der Frührenaissance

Im höfischen Repertoire sind viele damals weit verbreitete Stücke vertreten, zum Beispiel "Dindirindin", "La gelosia" des berühmten Tanzmeisters Domenico da Piacenza oder die unvermeidliche Folia-Variante. Stärker ausgearbeitete Musik, wie Hans Judenkönigs "Madonna Katerina", steht neben reiner Tanzmusik. Damit liefert diese CD einen Beitrag zum Gesamtbild des Musiklebens der Frührenaissance, weit über Landesgrenzen hinaus und weit weg von der damals aktuellen 1. Generation der franko-flämischen Vokalpolyphonie. Und vermeintliche historische Genauigkeit hin oder her: Auch über diese Musik wären König Alfons und sein Hofstaat doch sicher sehr erfreut gewesen.

Capelle de Ministrers - Quattrocento

Werke von Piacenza, Torre, Judenküngi, Dalza, Cornazano, Gulielmus, Ambrosio, Pesaro sowie aus den Manuskripten Bruxelles 9085, Montecassino 871, Siena LV 29, und Venezia BNM 1227
Capella de Ministrers, Carles Magraner
Label: Capella de Ministrers

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" am 7. Mai 2017, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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