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CD - Silvestro Ganassi La Fontegara

Keiner weiß, wie die Musik im 16. Jahrhundert wirklich geklungen hat. Aber Stück für Stück wird ein Bild davon zusammengesetzt. Einem Baustein widmet Le Concert brisée jetzt eine ganze CD: La Fontegara von Silvestro Ganassi.

CD-Cover: Silvestro Ganassi - La Fontegara | Bildquelle: © Ricercar

Bildquelle: © Ricercar

Der CD-Tipp zum Nachhören

Wer Musik aus dem 16. Jahrhundert machen möchte, für den sollte es eine Pflichtlektüre sein: La Fontegara von Silvestro Ganassi aus dem Jahr 1535. Eigentlich eine Abhandlung über das Blockflötenspiel, beschreibt Ganassi hier ausführlich die zeitgenössischen Verzierungs- und damit vor allem Improvisationskonventionen. Und das durchaus mit einem gewissen repräsentativen Anspruch. Denn Ganassi verfasste sein Werk für die reichen und gebildeten Venezianer, daher ist es entsprechend anspruchsvoll gehalten - und füllt genau die Lücke zwischen theoretischen Ausführungen und einer schlichten Unterweisung für Anfänger.

Hervorragend besetztes Ensemble

Kompositionen von Ganassi, wohl einem der hervorragendsten Musiker im Dienste des Dogen, sind nicht überliefert. Warum nimmt sich der Zinkenist William Dongois mit seinem hervorragend besetzen Ensemble Le Concert brisée nun dieses Werk vor? Die Motivation findet sich in einem speziellen Ganassi-Projekt, das Dongois an der Musikhochschule Genf durchführt - und diese CD ist gewissermaßen der praktische Teil davon. Ziel war es, die kompletten Beispiele für Passaggi und Diminutionen, die Ganassi anbietet, in die improvisatorische Praxis umzusetzen. Dafür wurde ein breites Repertoire von Liedern, Tänzen und Madrigalen aus Ganassis Umfeld zusammengestellt, geschickt arrangiert für verschiedenen Besetzungen. Auf chorusartige Improvisationen über einen Tanz von Pierre Attaingnant folgt z.B. der Gassenhauer "Mille regretz", später dann eine farbenprächtige Ensemble-Version von Adrian Willaerts "Sacro fonte". Bei "Mort et fortune" von Nicolas Gombert wird die Baritonstimme nur von drei Blockflöten begleitet. Dazu gibt es einige Solostücke, wie das Zephiro Spira von Bartholomeo Tromboncino mit Timea Nagy an der Blockflöte. Faszinierend, wie sie ihre Verzierungsdichte höchst gekonnt über mehrere Durchgänge spannungsreich zu steigern weiß.

Ein Experiment

Überhaupt ist es sehr aufschlussreich, dass mit dem hervorragenden Bariton Romain Bockler auch eine Stimme vertreten ist. Zum einen wird damit klargestellt, dass sich Improvisationskunst nicht auf Instrumente zu beschränken hat. Zum anderen ist die Stimme auch nach Ganassi das Ideal, dem die Instrumente nacheifern sollten. Und da schließt es sich nun mal aus, dass ein Sänger oder eine Sängerin einfach nur die Finger laufen lässt. Das ist bei den Instrumentalisten leider nicht immer der Fall. Diese CD ist letztendlich ein Experiment. Dass es zum Teil übers Ziel hinausschießt und manches überladen wirkt, ist allerdings einkalkuliert und durchaus beabsichtigt. Als Hörer bleibt man jedoch etwas ratlos zurück, wenn so hervorragend musizierte Musik nahtlos neben manch unmotivierter Floskel steht.

Silvestro Ganassi: La Fontegara

Silvestro Ganassi
Le Concert brisée/William Dongois
Label: Ricercar

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 18. November 2018, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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