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Der Sänger Günther Groissböck im Gespräch "Ich bin schockiert, wie gefügig die Leute sind"

Der Bassist Günther Groissböck hätte dieses Jahr in Bayreuth den Wotan gesungen. Dass die Festspiele wegen Corona abgesagt wurden, ist für Groissböck verschmerzbar. Was ihn jedoch ärgert, ist die aus seiner Sicht übervorsichtige Corona-Politik in Deutschland, besonders in Bayern. Über Groissböcks Vorbereitung auf die Rolle des Wotan berichtet eine TV-Dokumentation, auf BR-KLASSIK zum Ansehen verfügbar ist.

Das Interview zum Anhören:

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BR-KLASSIK: Herr Groissböck, 2016 haben Sie erfahren, dass Sie 2020 in Bayreuth den Wotan singen sollen, und damals sollen Sie gesagt haben: "Das wird der Knaller". Haben Sie die Absage der Bayreuther Festspiele ähnlich prägnant auf den Punkt gebracht?

Günther Groissböck: Ich muss Sie korrigieren, das war schon 2015. Das Vorsingen war am 15. August 2015 – leicht zu merken (lacht). Und das mit dem "Knaller", das habe ich 2016 in einem Festspiel-Blog in Bayreuth so gesagt. Ich meinte das aber nicht so, dass das jetzt die bahnbrechendste Interpretation würde, sondern im Sinne einer Herausforderung für mich persönlich. So war es dann auch, und als dann die Absage kam ... tja, was soll ich dazu sagen? Zu dem Zeitpunkt war es irgendwo abzusehen. Zumal wir wissen, dass Bayreuth ein besonders enges Theater ist, mit einem sehr alten Belüftungssystemen, also: gar keinen! (lacht) Ich muss gestehen, es war nicht so schlimm, weil ich ja wusste: Es kommt wieder – von mir aus auch zwei Jahre später. Das ist kein Verlust, an dem ich zerbreche.

Dokumentation "Wotan muss warten"

Die 3sat-Dokumentation "Wotan muss warten" über Günther Groissböck können Sie hier noch bis zum 25. August 2020 anschauen.

BR-KLASSIK: Wird das jetzt ein Sommer ohne Wagner für Sie?

Günther Groissböck: Nein. Ich bin wahnsinnig aktiv. Die letzten Wochen waren wirklich sehr intensiv bei mir. Was Wagner betrifft, gebe ich am 13. August in meiner Geburtsstadt Waidhofen an der Ybbs ein großes Stadion-Konzert. Das ist eine ganz schräge Idee, die bereits Mitte Mai Gestalt angenommen hat. Der Verkauf ist bislang sehr gut gelaufen, im Idealfall werden es 1.250 Besucher. Es handelt es sich um eine Art "Best of Wagner", arrangiert für ein Blasorchester mit 80 Mitgliedern.

In Österreich ist der Wille da, und man versucht, zu realisieren, was geht.
Günther Groissböck

Das Publikum will Livemusik

BR-KLASSIK: Bis zu 1.200 Besucher – heißt das, immer mehr Sänger weichen jetzt nach Österreich aus, weil da mehr möglich ist?

Günther Groissböck als Landgraf Hermann in "Tannhäuser" (Bayreuth 2011) | Bildquelle: picture-alliance/dpa Günther Groissböck: Momentan ist es so. In Österreich ist der Wille da, und man versucht, zu realisieren, was geht. Es freut, mich, dass es da so eine gewisse DNA gibt, die sagt: Die Musik lassen wir uns nicht kaputtmachen. Wir haben daher auch eine Verpflichtung, dies weiterzuführen. Und egal, welche bescheuerten Regeln von der aktionistischen Politik jetzt gerade getroffen werden müssen: Man findet immer einen Weg, irgendwo etwas möglich zu machen. Es wichtig, dass es weitergeht, denn die Leute sind ausgehungert und lechzen nach Livemusik. In Österreich gibt es da einen gewissen Pragmatismus, und das ist gut. Es ist mir wichtig, ein Zeichen zu setzen, gerade Blasmusik und Chormusik, die angeblich so gefährlich sind, zu unterstützen und wieder ins Laufen zu bringen, den Leuten diese eingeimpfte Angst zu nehmen.

Wenn man in Salzburg die 'Elektra' aufführt, warum funktioniert das nicht auch in München?
Günther Groissböck

Es fehlt der Wille zur Initiative

BR-KLASSIK: Und in Deutschland vermissen Sie diesen Pragmatismus?

Günther Groissböck: Ja, total. Vor allem in Bayern bin ich schockiert, wie gefügig die Leute sind. Das ist mir völlig unverständlich. Dabei bin ich sehr gerne in München, und in Bayreuth sowieso. Aber die Akzeptanz und dieses Sich-Unterordnen in Bayern – das verblüfft mich. Das muss ich ehrlich sagen. Leider gibt es dort politische Kräfte, die relativ wenig an Kultur interessiert zu sein scheinen. Man muss sich wirklich überlegen: Wenn man in Salzburg die "Elektra" aufführen kann, warum funktioniert das nicht auch in München? Ist 130 Kilometer weiter nördlich ein anderes Virus aktiv? Das ist doch lächerlich. Aus diesem Grund bin ich traurig, dass nicht mehr Geist zur Initiative vorhanden ist. Natürlich, in Bayreuth wird schon versucht, möglich zu machen, was möglich ist. Aber es könnte mehr sein, finde ich. Ich glaube, in Österreich gibt es mehr Tatendrang.

Sendung: "Allegro" am 23. Juli 2020 ab 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK

Günther Groissböck im TV

Samstag, 25. Juli 2020, 22:55 – 23:50 Uhr auf 3sat
Wotan muss warten – Der Sänger Günther Groissböck

Im Leben geht nicht alles nach Plan: Diese Erfahrung macht auch der gefeierte Bassist Günther Groissböck immer wieder. Der Film begleitet den Sänger auf seinem intensiven Reise-Leben.

Die TV-Dokumentation ist im Bayreuth-Dossier auf br-klassik.de zum Ansehen verfügbar.