2010 gab Andris Nelsons sein viel beachtetes Debüt bei den Bayreuther Festspielen als Dirigent des "Lohengrin". 2016 dann trat er überraschend und kurzfristig vom anstehenden "Parsifal" und allen Verpflichtungen bei den Festspielen zurück. Doch seit letztem Jahr ist er zurück am Grünen Hügel und etabliert einen einzig auf die Musik Richard Wagners konzentrierten neuen Programmpunkt der Festspiele: die Abschlusskonzerte. Das Festspielorchester war mit Orchesterpassagen und Szenen der Wagneropern auf der Bühne zu erleben.
Bildquelle: © SF / Marco Borrelli
Natürlich hat Richard Wagner das Haus nicht für Sinfoniekonzerte bauen lassen, wie ein Konzertbesucher richtig bemerkt. Aber "Der fliegende Holländer" und der "Tannhäuser" wurden von ihm auch noch nicht für das Festspielhaus komponiert, und Richard Wagner hatte mit Sicherheit nicht ein so fein auf seine Musik eingespieltes Orchester, das die vor ihm stehenden Solisten nicht übertönt.
Wer also die einmalige Akustik des Festspielhauses und das nach wochenlanger Festspieltätigkeit bestens eingespielte Festspielorchester mit Highlights aus den Wagneropern ganz ohne szenisch bedingte Aufregung und Ablenkung erleben möchte, der sollte einmal eines dieser beiden Konzerte besuchen und genießen.
Richard Wagner hat das Bayreuther Festspielhaus eigentlich nicht für Sinfoniekonzerte bauen lassen. | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Daniel Karmann
Sie beginnen ganz anders als die Opernaufführungen: Applaus, wenn die Musikerinnen und Musiker die ausgeleuchtete Bühne betreten, Einstimmen wie bei einem Sinfoniekonzert – nur wirkt dieses Ritual im Festspielhaus seltsam bedeutungsvoll. Mit der "Holländer"- Ouvertüre wird man beim diesjährigen Programm aber doch schlagartig mitten in den Wagner-Kosmos voller bildhafter Assoziationen katapultiert.
Andris Nelsons lässt die Wogen branden, die Gischt sprühen und dann überaus romantisch und sehnsuchtsvoll Sentas Motiv in den Holzbläsern erklingen. Lustig-lustvoll geht es weiter mit dem "Steuermann"- Motiv, um dann wieder mit großer Wucht zu enden. Sentas Ballade präsentiert Catherine Foster, die Brünnhilde der letzten Festspieljahre und gefeierte Isolde der diesjährigen Neuproduktion. Ein souveräner Auftritt, wenn auch nicht so jugendlich-übermütig wie bei manchen ihrer Kolleginnen.
Was waren die Höhepunkte der diesjährigen Bayreuther Festspiele? Welche Opernaufführungen werden in besonderer Erinnerung bleiben? Was lief hinter den Kulissen? Alle Infos rund um die Richard-Wagner-Festspiele auf dem Grünen Hügel finden Sie hier.
Die folgende Tannhäuser-Ouvertüre zelebriert Nelsons zunächst recht gedehnt mit Fokus auf den Blechbläsern, gibt das Venus-Motiv dann flirrend und erratisch als scharfen Kontrast, um mit genau abgezirkeltem, mittelalterlich-gotischem Pomp und beeindruckenden Paukenschlägen zu enden. Eine völlig andere Interpretation, als sie in der Opernproduktion zu erleben war!
Tenor Klaus Florian Vogt sang den "Tannhäuser" beim Abschlusskonzert der Bayreuther Festspiele 2022. | Bildquelle: BR/BR
Das Festspielorchester geht voller Elan mit in die Extreme, und Klaus Florian Vogt kommt als Tannhäuser zum Duett und für die Romerzählung hinzu. Großartig seine Textverständlichkeit, ein wenig unruhig seine Stimmgebung. Vogt scheint es lieber etwas leichtfüßiger angehen zu wollen als Nelsons, der hier die dramatische Spannung bis zum Äußersten ausreizt.
Nach der einstündigen Pause sind wir bei "Tristan und Isolde" angelangt. Wagemutig fließt das Vorspiel zum 1. Akt direkt in die Liebesnacht und das Vorspiel zum 3. Akt in Isoldes Liebestod. Beide Solisten gestalten atemberaubend intensiv, das Englischhorn-Solo wird zum instrumentalen Höhepunkt des Abends, und ein glückliches Publikum feiert das Festspielorchester, den Dirigenten und die beiden Solisten. In zwei Stunden präsentiert Nelsons eine Auslese des diesjährigen Festspielprogramms in neuem musikalischem Licht als würdiger Festspielabschluss mit Traditions-Potenzial.
Sendung: "Allegro" am 1. September 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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