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Salzburger Festspiele 2017 Endlich ein Aufbruchssignal

Gerade hat der neue Intendant der Salzburger Festspiele, Markus Hinterhäuser, sein erstes Programm vorgestellt. Viele haben diesen Moment sehnsüchtig erwartet und verbinden große Erwartungen mit "dem Neuen". Kann er die einlösen? Ein Kommentar von Bernhard Neuhoff.

Burgansicht der Stadt Salzburg | Bildquelle: imago/imagebroker

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Uns Journalisten kann er um den Finger wickeln wie kaum ein anderer Kulturmanager. Markus Hinterhäuser, bloß nicht zu sorgfältig frisiert und natürlich ganz in schwarz, ist ein Charmeur, ein Menschenfänger und begnadeter Netzwerker. Arriviert und parkettsicher ist er schon lange, schließlich war er Konzertchef und Interimsintendant in Salzburg und Chef bei den Wiener Festwochen. Aber den exzellenten Pianisten und begeisterten Vorkämpfer für die musikalische Moderne umweht immer zugleich ein Hauch von Bohème. Hinterhäuser holt Leute ins Boot. Er kann mit der Society ebenso wie mit menschenscheuen Avantgarde-Komponisten. Und ganz besonders gut passt er ins Beuteschema von Kulturredakteuren. In den letzten, von künstlerischer Stagnation geprägten Jahren wurde er vom Feuilleton fast wie ein Messias herbeigesehnt.

Die Festspiele 2017 - fünf szenische Neuproduktionen

Als Hinterhäuser zum Nachfolger von Alexander Pereira berufen wurde, dämpfte er in Hintergrund-Gesprächen erst mal klug die Erwartungen: Die Zeit der überlebensgroßen Stars sei vorbei, alles werde schwieriger, mit den Sponsoren ebenso wie mit dem Publikum. Doch nun, bei seiner ersten Programmvorstellung, präsentiert er höchst selbstbewusst ein umso üppigeres Angebot. Das nennt man Erwartungsmanagement.

Fünf szenische Neuproduktionen, eine Übernahme von den Pfingstfestspielen, dazu halbszenisch die drei Opern von Claudio Monteverdi unter John Eliot Gardiner und zweimal Oper konzertant: Das ist sicher sehr teuer und unerwartet reichhaltig. Nicht jedes Jahr, kündigt Hinterhäuser an, wird er sich das leisten können. Macht nichts, solange die Qualität stimmt.

Hinterhäuser setzt auf Herausforderung

Markus Hinterhäuser, Intendant der Salzburger Festspiele | Bildquelle: picture-alliance/dpa Markus Hinterhäuser am 10. November 2016 bei der Vorstellung des Programms der Salzburger Festspiele für 2017. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Tatsächlich weckt ausnahmslos jede der fünf Opern-Neuproduktionen Lust und Interesse - über die professionelle Neugier hinaus, die man als Musikjournalist nun mal mitzubringen hat. Endlich kommt das überfällige Aufbruchssignal aus Salzburg. Das große Ausrufezeichen setzt Hinterhäuser bei gewichtigen Meisterwerken des 20. Jahrhunderts: Alban Bergs "Wozzeck", Dmitrij Schostakowitschs "Lady Macbeth" und Aribert Reimanns "Lear". Alles Opern, deren einzigartiger Rang unbestritten ist, die aber längst nicht so populär sind, wie sie es verdienten. Dass sich die Salzburger Festspiele als staatlich mager bezuschusstes Publikumsfestival gerade auf dieses Repertoire fokussieren, leuchtet unmittelbar ein: Hinterhäuser setzt auf Herausforderung, nicht auf Experiment.

Mit dabei: Teodor Currentzis, Ana Netrebko, Mariss Jansons

Eine "Geschichte" will er jedes Jahr erzählen. Dieses Mal geht es um Macht - nun gut, das wird praktisch in jeder Oper verhandelt. Mit Mozarts "Titus" und Reimanns "Lear" umrahmen zwei eindrucksvoll scheiternde Herrscher die Reihe der fünf Premieren. Dass die Wiener Philharmoniker, die Haus- und Hoforchester in Salzburg bleiben, mit Mozart weniger überzeugen als mit Opern des 19. und 20. Jahrhunderts, war in den letzten Jahren deutlich zu hören. Richtig also, dass Hinterhäuser Mozarts "Clemenza di Tito" einem Originalklangensemble anvertraut. Der griechische Dirigent Teodor Currentzis, der mit seiner MusicAeterna neben dem "Titus" auch mehrere Konzerte bestreiten darf, dürfte die Festspielbesucher mit schnellen Tempi und scharfkantigem Klang polarisieren.

Andere Namenskombinationen wecken große Vorfreude: In Schostakowitschs "Lady Macbeth von Mzensk" dirigiert Mariss Jansons die Wiener - und Nina Stemme, eine der besten Wagner-Sängerinnen der Gegenwart, gibt ihr Debüt in der Hauptrolle. Auch Anna Netrebko wagt sich an ein Rollendebüt: Ihre erste Aida wird sie unter Riccardo Muti singen. Den "Wozzeck" übernimmt Matthias Goerne mit Vladimir Jurowski am Pult, Reimanns "Lear" wird von Gerald Finley dargestellt, dirigiert von Franz Welser-Möst.

Vertiefen kann man das Opernerlebnis im umfangreichen Konzertangebot, das, passend zur "Lady Macbeth von Mzensk", eine Schostakowitsch-Reihe bietet. Ein zweiter Schwerpunkt widmet sich der faszinierend farbigen Musik von Gérard Grisey. Dessen klangsinnliche Werke stehen in der Tradition seines Lehrers Olivier Messiaen. Ein Oratorium von Messiaen macht denn auch den Auftakt der Festspiele: "La Transfiguration", gespielt von Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Kent Nagano.

Künstler aus der Filmwelt und der Bildenden Kunst

Dass Hinterhäuser ein Händchen für die musikalische Seite des wichtigsten Opernfestivals der Welt hat, durfte man unterstellen. Spannender war die Frage, auf welchen Regiestil er setzt. Die Antwort: Zur einen Hälfte sind es opernerfahrene, metiersichere Vertreter des Regietheaters, deren Arbeiten auch vom breiten Publikum goutiert werden. Andreas Kriegenburg macht die "Lady", Peter Sellars den "Titus", Christoph Loy Händels "Ariodante" (eine Wiederaufnahme von den bevorstehenden Pfingstfestspielen mit Cecilia Bartoli und Rolando Villazón).

Die andere Linie geben Künstler vor, die sich der Oper von Film und Bildender Kunst her nähern. Der Südafrikaner William Kentridge, der den "Wozzeck" macht, hat zwar große Bühnenerfahrung und bereits Bergs "Lulu" in Amsterdam inszeniert, ist aber vor allem für seine Animationsfilme und Zeichnungen berühmt. Besonders reizvoll ist, dass man auch Kentridges bildnerisches Werk in einer gleichzeitig stattfindenden Ausstellung in Salzburg erleben kann.

Shirin Neshat posiert vor einem ihrer Werke | Bildquelle: Cem Ozdel, picture alliance / AA Die iranische Künstlerin Shirin Neshat vor einem ihrer Werke. | Bildquelle: Cem Ozdel, picture alliance / AA Deutlich weiter weg vom Operngeschäft ist die aus dem Iran stammende US-Amerikanerin Shirin Neshat. Sie hat sich von der Fotographie über Video-Kunst und Spielfilm zu Performance und Theater vorgearbeitet. In ihren Arbeiten geht es immer wieder um das Frauenbild in Persien und dem Westen, um aufeinander prallende Kulturen - Themen, die auch in Verdis "Aida" im Zentrum stehen. Doch als Hinterhäuser Shirin Neshat fragte, ob sie bei "Aida" Regie führen will, musste er ihr erst mal eine CD kaufen: Sie hatte das Stück noch nie gehört. Hoffen wir, dass es nicht nur optisch starke Inszenierungen werden, sondern auch welche mit überzeugender Personenführung - oft der Schwachpunkt bei Opern-Quereinsteigern. No risk, no fun. Salzburg im Sommer ist endlich wieder spannend.

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