Mit seiner "Alcina" konnte Jossi Wieler bereits große Erfolge verbuchen. Nun hat sich der Schweizer Regisseur für sein Stammhaus Stuttgart mit "Ariodante" eine weitere Händel-Oper vorgenommen - und zeigt zahlreiche Bezüge zu brisanten Themen unserer heutigen Lebenswelt auf.
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Ariodante und Ginevra lieben sich. Polinesso begehrt Ginevra und versucht, das Paar durch eine Täuschung auseinander zu bringen. Die Folgen sind verheerend: Die Liebenden drohen daran zu zerbrechen. Als Polinesso im Zweikampf stirbt, wird die Intrige offenbar. Das verstörte Paar findet wieder zueinander. Ein echtes Happy End sieht natürlich anders aus - denn zumindest Ginevra nimmt während der erlittenen Verleumdung gesundheitlichen Schaden, ein Aufatmen wird für sie am Ende zur Schwerstarbeit.
Die Bezüge von diesem Bühnenwerk des Jahres 1735 zu unserer heutigen Lebenswelt sind für das Produktionsteam um Jossi Wieler offenkundig - Stichwort: Intoleranz in puncto Sexualmoral innerhalb patriarchalisch geprägter Gesellschaften, Stichwort: Ehrenmord. Die Stuttgarter Inszenierung will aber noch mehr aufzeigen, zielt darauf ab, die Bösewicht-Figur des Polinesso aufzuwerten. Vielleicht hat der Franzose Christophe Dumaux deshalb so viel Vergnügen an seiner Rolle, weil er hier immer wieder Jean-Jacques Rousseau im Original zitieren darf: dessen "Brief über das Schauspiel", mit dem unglaublichen Satz "Jede Frau, die sich zur Schau stellt, entehrt sich!" - als wäre die Bühnenkünstlerin eine schamlose Vorstufe zur Prostituierten! Indem Wieler Polinesso Rousseau in den Mund legt, erscheint uns die zentrale Intrige des Stücks noch abgründiger motiviert als sonst.
Die Premiere in Bildern
Premiere von Händels "Ariodante" an der Oper Stuttgart war am 5. März 2017; alle Aufführungstermine und weitere Informationen unter oper-stuttgart.de