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Kritik – Akademiekonzert an der Bayerischen Staatsoper mit Jurowski Viel mehr als ein bloßes Konzert

Am Sonntag dirigierte Vladimir Jurowski das zweite Akademiekonzert der Saison an der Bayerischen Staatsoper – nur mit Werken von Schostakowitsch, alle entstanden zwischen 1924 und 1929 und somit aus nur einer Periode seines Schaffens. In dem dreistündigen Konzert kam man dem Komponisten menschlich erstaunlich nah. Damit erfüllen Serge Dorny und Vladimir Jurowski ihre Ankündigung, das Haus gerade mit ausgefallenem Repertoire weiter zu öffnen.

Aktuelle Kritik: Das Akademiekonzert mit Vladimir Jurowski

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Am Anfang ist alles noch ganz brav und gediegen. Das Präludium aus Schostakowitschs "Zwei Stücken für Streichoktett" will zwar viel und zitiert Mozart und Liszt. Doch instrumental geht es da eigentlich noch ganz gesittet zu. Die großen Frechheiten, aber auch die große künstlerische Freiheit des jungen Schostakowitsch folgen später. Fünf Jahre aus Schostakowitschs Leben bildet Vladimir Jurowski mit dem Bayerischen Staatsorchester im zweiten Akademiekonzert der Saison ab. Doch es passiert hier viel mehr als ein bloßes Konzert.

Dirigent Jurowski als Conferencier

Drei Stunden mit Dmitri Schostakowitsch an der Bayerischen Staatsoper | Bildquelle: picture-alliance/dpa Vladimir Jurowski dirigiert nicht nur, sondern spielt auch den Conferencier – er bleibt als einziger auf der Bühne, während das Orchester in verschiedenen, teils sehr ungewöhnlichen Besetzungen auf und ab geht. Jurowski erzählt aus Schostakowitschs Leben und stellt dessen musikalische Ideen vor. Dabei entsteht nach und nach ein sehr plastisches Bild des Komponisten. Schostakowitschs Witz zeigt sich etwa in der herrlich anarchischen Posaune zweier Scarlatti-Bearbeitungen für Bläserensemble. Schön tänzerisch und transparent spielen die Holzbläser einen barocken Kontrapunkt. Dann grätscht die Posaune dazwischen, mit ihren schroffen Glissandi.

Der Jazz in Schostakowitschs Musik

Oder die zerbrochene Grandezza im Scherzo: Ein wunderschönes Stückchen Mini-Symphonik, das jazzig swingt. Jurowski dirigiert das aber mit der ihm eigenen Zurückhaltung: Er geht nicht an dynamische Grenzen, pusht das Orchester nicht in den Überwältigungs-Modus. Vielmehr setzt er auf Details und Vielschichtigkeit. Er spielt mit Vorsicht, mit Sinn fürs Delikate, nicht fürs Reißerische.

Dirigieren und Plaudern

Das neue Duo an der Bayerischen Staatsoper: Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski und Intendant Serge Dorny | Bildquelle: picture-alliance/dpa Draußen auf dem Dach des Nationaltheaters weht eine Fahne mit einer Nase darauf. Schostakowitschs gleichnamige Oper war die erste Premiere unter Intendant Serge Dorny und Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski. Ein Zeichen, wo es hingehen soll in den nächsten Jahren. Auch das Schostakowitsch-Programm des Akademiekonzerts orientiert sich daran. Im Haus der Bayerischen Staatsoper weht ein neuer Wind: So sperrig war die Musik zu Bachlers Zeiten selten. Trotzdem wird sie hier greifbar. Dazu passt Jurowskis Plauderton. Dazu passt auch, dass sich die Pianistin Sophie Pacini an Klavier und Celesta hier als Teil des Orchesters begreift und weniger als Solistin.

Fast nur Münchner Erstaufführungen

Und so gerät dieses Programm, in dem es fast nur Münchner Erstaufführungen gibt, erstaunlich kurzweilig. Der Wiedererkennungswert der Musik ist gering, bis auf die Bearbeitung des Musical-Hits "Tea for Two", die Schostakowitsch 1927 als Einlösung einer Wette geschrieben hatte. Aber die Spannung, einen ganz großen Komponisten detailreich, überraschend, musikalisch und menschlich kennenzulernen, ist herrlich. Nahbarkeit und große, auch komplizierte Kunst schließen sich nicht aus. Das beweist der Dirigent der Matinee genauso wie der Komponist. Tosender Applaus nach drei herrlichen Stunden.

Das 2. Akademiekonzert fand am 7. November 2021 an der Bayerischen Staatsoper statt. Die folgenden Termine am 8. und 9. November müssen leider wegen einer Häufung an positiven Covid-Fällen unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses abgesagt werden.

Sendung: "Leporello" am 8. November 2021 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK