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Buchtipp: Brigitte Fassbaenders Memoiren "Komm' aus dem Staunen nicht heraus"

Brigitte Fassbaender startete bereits 1961 ihre Karriere am Münchner Nationaltheater. Bald sang sie an allen führenden Opernhäusern und Festspielen der Welt und wurde als Mezzosopranistin eine Legende. Bis zu dem Tag, an dem sie ihre Gesangskarriere aus freien Stücken beendete. Von all den Glanzmomenten, aber auch dem Elend des Sängerberufs, schreibt die 80-Jährige in ihrer Autobiographie.

Brigitte Fassbeander Autobiographie | Bildquelle: © C. H. Beck Verlag

Bildquelle: © C. H. Beck Verlag

"Komm' aus dem Staunen nicht heraus" – den Titel ihrer Memoiren hat Brigitte Fassbaenders bewusst gewählt: Diese Worte des Ochs von Lerchenau am Ende des "Rosenkavaliers" entsprechen genau ihrem Lebensgefühl, wie sie schreibt. Ihre Erinnerungen beginnen mit dem Bekenntnis, dass sie sich als Schulmädchen vorgenommen hatte, wie der von ihr geliebte Lyriker Christian Morgenstern, mit 44 zu sterben. Gott sei Dank ist es anders gekommen und mit jetzt 80 Jahren ist Brigitte Fassbaender immer noch ein unverbesserlicher Workaholic.

Von der Bühne zur Regie

Seit dem Ende ihrer grandiosen Sängerkarriere vor 25 Jahren arbeitet sie als Gesangspädagogin und Regisseurin. Damals war sie 56 Jahre alt. Seitdem hat sie über 80 Inszenierungen auf die Bühne gebracht: "Also das, was man in der Regie Personenregie nennt, das interessiert mich besonders. Für mich ist der Mensch auf der Bühne immer der Mittelpunkt, auch konzeptionell", sagt Fassbaender. Allein während sie ihr Buch schrieb, erarbeitete sie drei Opern: Donizettis "Lucia di Lammermoor" in Regensburg, Henzes "Der junge Lord" am Münchner Gärtnerplatztheater und Friedrich von Flotows "Martha" auf Schloss Tabor im Burgenland.  Für alle drei Produktionen wurde sie gefeiert. "Ich finde schon, dass man alles wagen muss, und neue Schwerpunkte finden muss. Das ist äußerst wichtig. Aber der Respekt vor dem Werk und vor dem, was Komponist und Librettist wollten, der ist mir auch wichtig."

Selbst ist die Frau

Kammersängerin und Pädagogin Brigitte Fassbaender | Bildquelle: picture-alliance/dpa Sängerin und Regisseurin Brigitte Fassbaender | Bildquelle: picture-alliance/dpa Respekt vor Menschen und die Suche nach Wahrhaftigkeit in der Kunst bestimmen ihre Arbeit. Und im gleichen Geist hat sie auf Anregung eines Musikkritikers neben ihrer Regiearbeit eine 381 Seiten lange Zeitzeugenschaft in Buchform verfasst. Nach dem Motto "Selbst ist die Frau" lehnte sie das Angebot eines Ghostwriters ab. Sehr offen, dennoch mit einer gewissen Diskretion schildert sie ihre Kindheit und Jugend. Fassbaender, die in diesem Jahr ihren 80. Geburtstag feierte, erlebte als Kind die Bombardierung Dresdens, anschließend die russische Besatzung in Berlin. Selbst die Eheprobleme ihrer Eltern, Kammersänger Willi Domgraf-Fassbaender und Schauspielerin Sabine Peters, spart sie nicht aus. Sie erzählt von ihrer oft unerfreulichen Schulzeit, die sie kurz vor dem Abitur beendete, um in Nürnberg das Gesangsstudium bei ihrem Vater zu beginnen. Jung hat sie geheiratet, hätte gerne ein Kind gehabt, wurde nach sieben Jahren geschieden und zog es letztlich vor, mit einer Frau zusammen zu leben.

Ich finde schon, dass man alles wagen muss, und neue Schwerpunkte finden muss.
Brigitte Fassbaender

Lieblingspartien als Sängerin

Im Mittelpunkt ihrer Erinnerungen steht natürlich das komplexe und komplizierte Leben als Sängerin. Sie berichtet von ihrem außergewöhnlich frühen Start 1961 als Mezzosopranistin an der Bayerischen Staatsoper und ihrem Durchbruch als Clarissa in Rossinis "Die Liebesprobe". Die Hosenrolle als burschikoser Octavian im "Rosenkavalier" wurde neben Dorabella aus "Cosi fan tutte" und der Gräfin Geschwitz aus Alban Bergs Oper "Lulu" zu ihrer Paraderolle. Als Octavian schrieb sie zwar Theatergeschichte, doch ihre Lieblingsrolle war es nicht, wie sie einmal sagte: "Lieblingspartie war die Charlotte in Massenets 'Werther'. Das war hier eine wunderbare Inszenierung in München von Kurt Horres, ein Regisseur, den ich sehr geschätzt und geliebt habe."

Kurz und bündig

Dieses Buch wird lieben, wer …
... sich für eine bis heute außergewöhnliche und durchaus streitbare, humorvolle Künstlerpersönlichkeit interessiert.

Dieses Buch liest man am besten …
… auf einem bequemen Sofa oder Sessel, weil man so schnell nicht wieder aufstehen will.

Dieses Buch ist wie geschaffen für …
...nostalgische Opernaficionados und Neulinge, die einen Blick hinter die Kulissen des Musiktheaterbetriebs werfen möchten.

Ein Blick hinter die Kulissen

Fassbaender erzählt auch vom Sängerinnenleben hinter der Bühne, thematisiert Kollegenvorlieben und Animositäten. Sie berichtet von Grenzüberschreitungen und Machtmissbrauch, wobei der in die Kritik geratene Plácido Domingo nicht der Zudringlichste war. Sie beschreibt den Druck, anstrengende Diäten durchzuziehen, um in alle Pagenrollen zu passen. Brigitte Fassbaender macht keinen Hehl daraus, dass das Singen für sie schon wegen ihres furchtbaren Lampenfiebers nie die ungetrübte Freude war.

Tagebuch einer Regisseurin

Verleihung des Opus Klassik 2018 - Brigitte Fassbaender | Bildquelle: picture alliance / AAPimages/WA Brigitte Fassbaender bei der Verleihung des Opus Klassik 2018. | Bildquelle: picture alliance / AAPimages/WA Brigitte Fassbaender erzählt lebendig, ungeschminkt und offen. Man hat beim Lesen das Gefühl, ihr gegenüber zu sitzen und zuzuhören. Besonders wertvoll ist, dass es in ihrem Buch nicht nur um vergangene Sängerepochen geht. Sie erinnert an berühmte Dirigenten, Regisseure und Liedbegleiter. Das letzte Drittel des Buches enthält ihr vor 28 Jahren in Amsterdam entstandenes Theatertagebuch, in dem sie die Regiearbeit an einer ihrer Lieblingsopern dokumentiert: "A Midsummer Night's Dream" von Benjamin Britten. Und im anschließenden Teil entführt sie in die eigene Theaterwerkstatt.



Sie hofft, dass sie noch lange so weiterarbeiten kann. Ihr nächstes Mammutprojekt für die nächsten Jahre ist Richard Wagners "Ring" bei den Tiroler Festspielen im österreichischen Erl.

Infos zum Buch

Brigitte Fassbaender:
"Komm' aus dem Staunen nicht heraus: Memoiren"
C. H. Beck Verlag, München
381 Seiten
Preis: 26,95 Euro / 21,99 (E-Book)

Sendung: "Allegro" am 31. Oktober 2019 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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