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Kritik – "Egmont" am Theater an der Wien Eine Oper im Geiste Beethovens

War Beethoven, obwohl er mit "Fidelio" nur eine einzige Oper komponiert hat, nicht durch und durch Theatermensch? Das Theater an der Wien, in dessen Gebäude Beethoven sogar zwei Jahre in einer Dienstwohnung verbrachte, hat im Rahmen seines Beethoven-Jubiläumsprogramms "Egmont" als Oper in Auftrag gegeben. Am 17. Februar war Premiere.

Bildquelle: © Monika Rittershaus

1810 schrieb Ludwig van Beethoven zu Goethes Trauerspiel "Egmont" eine sehr umfangreiche Schauspielmusik für das Wiener Burgtheater. Vor allem die Ouvertüre daraus taucht auch heute noch oft auf Konzertprogrammen auf. Im "Egmont" am Theater an der Wien ist von dieser Musik allerdings nichts zu hören. Eine Oper im Geiste Beethovens sollte dieser "Egmont" werden. Die Auflage des Theaters an den Komponisten Christian Jost war lediglich, sich an Beethovens Orchesterbesetzung zu halten. Das tut Jost auch – nur dass es keine Pauke gibt, dafür aber Vibraphon, Marimbaphon und ein Klavier.

Szene aus "Egmont" am Theater an der Wien | Bildquelle: © Monika Rittershaus Die Handlung von Goethes fünfaktigem Trauerspiel "Egmont", das vom Aufstand der Niederlande gegen die spanische Herrschaft handelt, wurde vom Librettisten Christoph Klimke aufgelöst und in 15 abstrakte Szenen eingeschmolzen. Dem Machtpolitiker Alba steht in dieser Oper der träumerische Idealist Egmont gegenüber. Die Rolle von Egmonts Geliebter Klärchen wird zu Klara erhöht und als visionärer Engel inszeniert. Zusätzlich eingeführt ist Albas Sohn Ferdinand, eine Hosenrolle, gesungen von der Mezzosopranistin Theresa Kronthaler.

Engel, Folterkäfige und Bettszenen

Szene aus "Egmont" am Theater an der Wien | Bildquelle: © Monika Rittershaus Die Musik von Christian Jost langweilt nie: große Chöre, die wie innere Stimmen Alpträume grundieren, dann wieder in fast militärischem Pathos pulsierende Klangflächen, die sich oft im Vierteltonbereich fortbewegen. Doch vor allem fesselt die abwechslungsreiche Inszenierung von Keith Warner und Ausstattung von Ashley Martin-Davis: eine abstrakte Installation auf der Drehbühne, meist schwarz-weiß. Schwarze Kranichgeschwader und weiße Engel, Folterkäfige und Bettszenen. Auch fünf Akrobaten, die in Tüchern vom Bühnenboden herunterturnen, wurden engagiert.
Bo Skovhus gibt stimmgewaltig den Bösewicht Alba – dennoch ganz in weiß gekleidet. Noch verschlagener: Károly Szemerédy als Macchiavelli. Den beiden steht ein etwas blasser, aber lyrisch hochgestimmter Egmont, gesungen von Edgaras Montvidas, gegenüber. Am sinnlichsten ist Angela Kirchschlager als Margarete von Parma, die im Bett über ihre Liebesbeziehungen regieren will. Und schließlich als Beethoven'scher Engel Klara in sehr hohen Stimmlagen dahin fliegend: Maria Bengtsson.

"Egmont" als zeitgenössische Oper

Die Aufgabe, sich im zeitgenössischen Musiktheater mit Beethoven auseinanderzusetzen, wurde in eindrucksvollen surrealen Bildern und auf musikalisch hohem Niveau durchaus souverän gelöst. Mehr bot der Abend freilich nicht. Freundlicher, nicht allzu stürmischer Beifall.

"Egmont" am Theater an der Wien

Oper in fünfzehn Szenen von Christian Jost (2020)
Libretto von Christoph Klimke unter der Mitarbeit des Komponisten

Ein Auftragswerk des Theater an der Wien
Premiere: Montag, 17. Februar 2020

Sendung: "Leporello" am 18. Februar 2020 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK