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Live-Konzerte nach Corona Wenn das Publikum trotz Öffnung ausbleibt

Leinen los! Endlich wieder Livekonzerte! Ganz so einfach gestaltet sich das aber vielerorts nicht – immer wieder ist derzeit zu hören: Das Publikum kommt nicht zurück. BR-KLASSIK-Reporter Moritz Wolff hat recherchiert. Sein Fazit: Die Lage in Bayern ist sehr unterschiedlich.

Leere Konzertsaal mit roten Stühlen | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Mitten im schönen Chiemgau, rund zehn Kilometer nordwestlich des Chiemsees, steht ein großes Holzhaus. Hier, in der Festspielhalle auf Gut Immling, wird schon eifrig geprobt. Das Opernfestival startet am 25. Juni, und der Kartenverkauf läuft schon gut an. Ein Vorteil sei etwa die Lage, sagt Ludwig Baumann, Gründer des Immling Festivals. "Bei uns kommt man nicht nur zur Oper, sondern wir liegen auf einem wunderschönen Hügel mit einem Rundumblick in die Berge, in den Westen, in den Sonnenuntergang." Und manchen Menschen sei es einfach zu viel, extra nach München zu fahren, in der Garage zu parken, um die Oper zu besuchen.

Vor allem Jung und Alt sind zögerlich

Donizettis Liebestrank in Nürnberg | Bildquelle: Bettina Stöß/Staatstheater Nürnberg Szene aus Donizettis "Liebestrank" am Staatstheater Nürnberg | Bildquelle: Bettina Stöß/Staatstheater Nürnberg Auch viele Veranstalter in den bayerischen Großstädten können sich nicht beklagen. Das Staatstheater Nürnberg freut sich über sein treues Publikum. Auf alle Sparten bezogen liegt die aktuelle Nachfrage im freien Verkauf bei 75 Prozent verglichen zum Vor-Corona-Niveau, mit steigender Tendenz. Am Theater Regensburg und am Bayerischen Staatstheater in München liegt die Auslastung sogar wieder bei etwa 90 Prozent.

Anders sieht es bei kleineren Veranstaltern aus. Bei Concerto Winderstein in München sind die Abo-Zahlen der wichtigsten Konzertreihe um etwa ein Viertel zurückgegangen, klagt Geschäftsführer Hans-Dieter Göhre. Deshalb hat er sich dafür entschieden, die Konzertreihe erst einmal bis Herbst 2022 auszusetzen. Vor allem an den Rändern, beim jungen und alten Publikum gebe es Verluste, so Göhre.

Die Älteren sind teilweise jetzt noch ängstlich, sie wollen sich nicht anstecken.
Hans-Dieter Göhre, Geschäftsführer Concerto Winderstein

Hinzu komme, sagt Göhre, dass ältere Menschen sich an ihr Wohnzimmer gewöhnt hätten. Dramatisch sieht er die Entwicklung bei jungen Menschen: "Viele interessieren sich für ganz andere Dinge, die heutzutage angeboten werden. Wir stellen es fest an der Abendkasse: Selbst die Studenten der Musikhochschulen kommen nicht."

Münchener Kammerorchester mit modernen Konzepten

Eine Idee, wie das Publikum wieder zurück in die Konzertsäle geholt werden kann, hat das Münchener Kammerorchester. Bereits seit 2013 organisiert das Ensemble zusammen mit den Münchener Philharmonikern Kammermusikkonzerte in drei Münchner Clubs. Die Club-Konzerte in der Roten Sonne, im Pacha und im Harry Klein kommen erstaunlich gut an, erzählt Florian Ganslmeier, Geschäftsführer des Münchener Kammerorchesters. Er staune immer wieder, wie aufmerksam und gespannt das Publikum auf diese Konzerte sei. Auch weil dieses Publikum an diese Art von Musik nicht gewohnt sei.

Die meisten Stücke, die da gespielt werden begegnen den jungen Leuten zum allerersten Mal.
Florian Ganslmeier, Geschäftsführer des Münchener Kammerorchesters

Musikwissenschaftler und Journalist Wolfram Goertz mutmaßt im Gespräch mit BR-KLASSIK über die Gründe für das wegbleiben des Publikums. Dazu gehören für ihn etwa Sparzwänge wegen der gestiegen Energiekosten und mangelnde Neugier nach der Pandemie. Es brauche einfach Zeit, um wieder in den "Konzert-Geh-Modus" hinein zu finden, so Goertz. Nach der langen Schließung der Konzertsäle könne das Publikum "jetzt nicht per Kippschalter dazu verdonnert werden, wieder zu kommen." Hinzu kämen Ängste, besonders beim älteren Publikum:

Die Leute haben alle gelernt, dass ein Konzertsaal möglicherweise auch ein gefährlicher Ort sein kann.
Wolfram Goertz

Außerdem spiele die Gewöhnung eine große Rolle, so Goertz. Menschen, die über Jahre ein Abo hatten, haben sich über die Pandemie einen Ersatz für die Livekonzerte gesucht, etwa Streaming.

Deshalb geht das Münchener Kammerorchester nun neue Kooperationen ein und hofft so, das Publikum nach Corona zurückzuholen. Am 15. Juli findet etwa in der Isarphilharmonie das erste gemeinsame Konzert des Münchner Kammerorchesters mit der Jazzrausch-Bigband statt.

Sendung: "Allegro" am 9. Juni 2022, um 6:05 Uhr, auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Mittwoch, 08.Juni, 17:56 Uhr

Berta Fullner

Die Ignoranz der Politik ist schuld

Schuld an der Misere der Veranstalter ist doch die Politik, die alle Versichtsmaßnahmen abgeschafft hat, Und die Kultur ist (leider) eh nicht im Blickfeld der Politiker! Die Sorgen und Ängste der Bürger werden nicht ernstgenommen und auf Eigenverantwortung zu setzen, ist ein Wahnsinn.
Was ich nicht verstehe: die Veranstalter könnten in den Sälen Vorsichtsmaßnahmen treffen (Hausrecht) - damit würden sie sicherlich besser fahren und das Stammpublikum zurückholen.

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