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Kritik - Der fliegende Holländer in Berlin Zweieinhalb Stunden Düsternis

Traumbilder, Obsessionen, Projektionen: Am Sonntag feierte Wagners Oper "Der fliegende Holländer" an der Deutschen Oper Berlin Premiere. Regisseur Christian Spuck versetzte die Handlung in ein schmutzig-schwarzes Setting und rückte eine Nebenfigur ins Zentrum des Geschehens.

Bildquelle: © Thomas Jauk

Es regnet, oft lauter als die Pianissimo-Stellen der Ouvertüre. Es ist düster. Schwarze Wände und Decken, ein alter Schacht. Nebel kommt auf, ein Zitat aus John Carpenters grandiosem Gruselschocker "The Fog". Ein Mann träumt seinen Alptraum. Erik, der Verlobte von Senta und der ewige Loser in dieser ersten von Wagner für Bayreuth abgesegneten Oper, ist in Christian Spucks Fliegendem Holländer die zentrale Figur. Ihn, den ungeliebten, armen Jägersmann kennen wir in konventionellen Inszenierungen nur als Beiwerk für die neurotische Liebe der Seemannstochter Senta zu ihrem fliegenden Holländer, der eigentlich nur eine Märchenfigur ist. Sie, Senta, ist normalerweise die Träumerin, die aus der Realität der Spinnstube in die Heinrich-Heine-Legende abtaucht und einen ewigen Wanderer der Meere mit ihrer Treue erlösen will.

Schmutzig-schwarzes Setting

Ingela Brimberg als Senta | Bildquelle: © Thomas Jauk

Senta liebt ein Bild des Holländers, in dem sie sich spiegelt. Eine schöne Metapher auf jenen Narzissmus, der Lust und Liebe so oft begleitet. Da nur ihr Tod die Erlösung bietet, (merke: Wagners Heldinnen gewinnen nie), hat Christian Spuck sich entschieden, die Düsternis zweieinhalb pausenfreie Stunden komplett durchzuziehen. Auch in der Spinnstube, wenn die Mädchen sich mit ihrem Summsumm auf die zurückkehrenden Matrosen freuen sollten, bleibt das Setting schmutzig und schwarz wie die Trauerkleider, die die jungen Frauen nähen.

Eriks Traum endet so düster, wie er begann. Er ersticht Senta. Oder sie wirft sich in sein Messer, ganz deutlich wird dies nicht. Der Holländer ist erlöst, der Alptraum bleibt. Die Inszenierung erstaunt, hält die Spannung, trotz des ewigdunklen Ambiente. Der Holländer ist ein Chorstück. Und der Tänzer und Choreograf Christian Spuck, momentan Leiter des Balletts Zürich, dirigiert und choreografiert diesen Chor grandios. Die Frauen weichen zurück, wenn Senta ihre hohen Töne hinauswirft, die Matrosen trampeln zum "Steuermann lass die Wacht" und besetzen die gesamte Bühne. Der Chor der Deutschen Oper, oft preisgekrönt, lässt die Töne auch hier trotz sehr schneller Tempi glänzen.

Gelungener Abend mit unnötigen Buhrufen

Ingela Brimberg als Senta und Thomas Blondelle als Erik | Bildquelle: © Thomas Jauk Die Schwedin Ingela Brimberg gibt eine sehr klare Senta mit hellem Sopran. Thomas Blondelles Erik ist leidenschaftlich, Tobias Kehrers Daland ist wunderschön und zuverlässig stark, das Orchester unter Donald Runnicles wagnergestählt und transparent. Und der Holländer? Samuel Youn hat 2012 als erster Koreaner diese Rolle in Bayreuth gesungen: ein Ritterschlag. In der Premiere in Berlin war er schwer erkältet und konnte die Partie nicht füllen. Die deshalb komplett überflüssigen Buhrufe des Berliner Publikums haben ihn sicher nicht genesen lassen. Ein trauriges Ende eines sonst gelungenen Abends.



Richard Wagners "Der fliegende Holländer" an der Deutschen Oper Berlin

Musikalische Leitung: Donald Runnicles
Inszenierung: Christian Spuck
Premiere: Sonntag, 7. Mai 2017

Weitere Infos und Termine unter deutscheoperberlin.de.

Sendung: "Allegro" am 9. Mai 2017, 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK