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Filmmusiklegende Ennio Morricone ist tot Mehr als Italowestern

Eine Filmmusiklegende ist tot. Nach Angaben seiner Familie starb der italienische Komponist Ennio Morricone in der Nacht zum 6. Juli im Alter von 91 Jahren in einem römischen Krankenhaus. Von ihm bleiben Scores wie "Spiel mir das Lied vom Tod" oder "Zwei glorreiche Halunken". Doch Morricone war mehr als nur ein Filmkomponist.

Mehr als nur ein Filmkomponist: Zum Tode von Ennio Morricone

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"Ich glaube schon, dass ich ein Barockmusiker bin", erzählte Morricone einmal im Interview. Um dem verblüfften Journalisten gleich darauf zu erläutern: "Ich meine im Sinne der italienisch-romanischen Tradition. Das heißt nicht, dass ich Barockmusik mache, sondern dass ich gelegentlich zu einer musikalischen Komplexität neige, die man Barockismus nennen könnte. Denn ich arbeite gerne mit großer Dichte innerhalb meiner Kompositionen."

Meister der knappen Geste

Aber auch das Gegenteil trifft zu: Ennio Morricone als Meister der knappen Geste, des fast werbemäßig prägnanten Musik-Kürzels. Sei es in "Zwei Glorreiche Halunken", wo er den Ruf des Kojoten musikalisch nachahmt. Oder in "Spiel mir das Lied vom Tod", dem Film, der den gebürtigen Römer und einstigen Schüler von Goffredo Petrassi an der Academia di Santa Cecilia über Nacht berühmt machte – als Filmkomponist und nicht auf jenem anderen Gebiet, auf dem er doch auch über viele Jahre einer der führenden Köpfe Italiens war: der Avantgarde.

Ich habe nie gesagt, dass ich unzufrieden bin, dass man mich als Filmmusiker kennt. Was mir nur leidtut ist, dass man mich nicht auch als Komponisten anderer Musik kennt.
Ennio Morricone

Verhinderter Avantgardist

Diese andere Musik, Morricones avantgardistisches Alter Ego, geriet mit dem Beginn seiner Filmmusik-Karriere zunehmend ins Hintertreffen. Auch wenn Morricone, einst einer von Italiens führenden Provokateuren, niemals aufhörte, abseits der Leinwand zu komponieren. Aber während seine süffig-harmonische Filmmusik weltweit Triumphe feierte, reagierte das Publikum auf den Avantgardisten Morricone eher zurückhaltend. Sofern es überhaupt mit diesem Werk konfrontiert wurde, so wie im November 2003 anlässlich der Ernennung Ennio Morricones zum Ehrensenator der Münchner Musikhochschule.

Zwischen allen Stühlen

Auch er selbst zog stets eine Trennlinie zwischen den beiden Metiers – obwohl das eine ohne das andere kaum denkbar gewesen wäre. Denn gerade das Neben- und Ineinander von griffigen Gebrauchsmustern, nicht selten am Rande zum Kitsch, und musikalisch Unverbrauchtem, ja Unerwarteten gehört zu Morricones Markenzeichen: der Elektrobass Seite an Seite mit einem Symphonieorchester à la Bruckner; Rülpslaute und Kojotenrufe, eingebettet in barocke Sequenzierungen oder ein schnatternder Frauenchor, den er zu Blockflötenklängen und Mozarts "Kleiner Nachtmusik" montierte. Nicht zu vergessen das Schlagzeug als ein Element jener dritten Sphäre, in der Morricone aufgewachsen war: der Unterhaltungsmusik.

Programmänderung

Zum Tod von Ennio Morricone ändert BR-KLASSIK sein Programm: Die Sendung "Klassik-Stars" am 6. Juli wird sich ab 18.05 Uhr dem großen Filmkomponisten widmen. Am 11. Juli ab 11.05. spricht Matthias Keller mit Ennio Morricone in der Sendung "Meine Musik" (Wh.). Und auch die Sendung "Cinema" am Sonntag, den 12. Juli, steht ganz im Zeichen der Erinnerung an den großen Musiker.

Vom Schlager zum Film

Denn schon der Vater spielte als Unterhaltungsmusiker in verschiedenen römischen Formationen, wo ihn der junge Ennio gelegentlich als Trompeter vetrat. Und bereits während seines klassischen Studiums am römischen Konservatorium Santa Cecilia betätigte sich Morricone als Schlagerkomponist und Arrangeur für Größen wie Mario Lanza, Charles Aznavour, Chet Baker oder Paul Anka. Mehr als 500 Titel entstehen in dieser Zeit und finden nicht selten ihren Weg in die Hitparaden. Seine erste Filmmusik schreibt Morricone 1961, doch sein internationaler Durchbruch auf diesem Gebiet kommt, als er für den ehemaligen Schulkameraden Sergio Leone beginnt, Italowestern zu produzieren – zuerst die beiden Streifen "Für eine Handvoll Dollar" und "Zwei glorreiche Halunken", gefolgt von "Spiel mir das Lied vom Tod", zu dem Bernardo Bertolucci das Drehbuch schrieb. Fortan war der Name Morricone, insbesondere in Deutschland, untrennbar verknüpft mit diesem Genre, wenngleich von den insgesamt über 500 Filmmusiken Morricones nicht einmal 30 das Etikett "Spaghetti-Western" tragen.

Später Erfolg bei den Oscars

Ennio Morricone erhält schon 2007 den Oscar für sein Lebenswerk. Rechts neben ihm: Laudator und Übersetzer Clint Eastwood. | Bildquelle: picture-alliance/dpa In Hollywood war er sechsmal für den Oscar nominiert, darunter Giuseppe Tornatores "Cinema Paradiso" und Roland Joffés Historienfilm "The Mission". 2015, nach fünf erfolglosen Anläufen, erhielt er dann endlich den Academy Award für seine Musik zu Quentin Tarantinos "The Hateful Eight". Aber bereits 2007 hatte man ihm den Oscar als Auszeichnung für sein Lebenswerk verliehen. Clint Eastwood war es, der damals für das Auditorium übersetzte. Denn Morricone war und blieb bis zuletzt Römer mit Leib und Seele; einer, der sich in der verbalen Kommunikation auf seine Muttersprache beschränkte, dessen Musik aber globale Anerkennung genießt.

Sendung: Leporello am 6. Juli 2020 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK