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Gedenkkonzert mit Anne-Sophie Mutter Ein Konzert als Lebenszeichen

Das Orchester spielt in Sträflingskleidung, das Publikum liegt zum Teil auf Bahren: Es ist ein klingendes Lebenszeichen, das Holocaust-Überlebende am 27. Mai 1945 vom Gelände des Klosters St.Ottilien bei München senden: sie veranstalten ein Befreiungskonzert. Jetzt wird an das ungewöhnliche Ereignis erinnert - mit Starbesetzung.

Der Beitrag zum Hören:: Das Befreiungskonzert von St. Ottilien

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Robert Hilliard war bei der US Armee in Bayern stationiert – als  Reporter für eine Truppenzeitung. Drei Wochen nach Kriegsende wird er in ein oberbayerisches Kloster geschickt. In St. Ottilien bei Landsberg soll Hilliard über ein besonderes Konzert berichten. "Ich war ein amerikanischer Soldat, Infanterist. Und als junger Mann, der in der Schlacht war, dachte ich: Wir sind tough, stark", erzählt er, doch als er zu dem Konzert kam, habe er weinen müssen: " ... wirklich weinen. Weil der Schrecken, der Menschen zustoßen kann, wenn Hass und Bigotterie das letzte Wort haben, entsetzlich ist."

Eine erste jüdische Veranstaltung nach dem Holocaust

Das Original-Programm | Bildquelle: U.S. Holocaust Memorial Museum, courtesy of Sonia Beker Die US Armee hatte im Benediktinerkloster St. Ottilien ein Krankenhaus für die aus dem KZ Dachau befreiten jüdischen Häftlinge eingerichtet. Mitglieder eines Ghetto-Orchesters haben sich hier wiedergefunden und ein "Befreiungskonzert" gegeben. Die erste jüdische Veranstaltung nach dem Holocaust auf deutschem Boden. Ein Überlebenszeichen. Nach den Hymnen der Siegermächte spielen die Musiker Volkslieder aus dem Ghetto von Vilnius und Werke von Bizet und Grieg.

Truppen-Reporter Robert Hilliard erinnert sich an einen verstörenden Anblick: "Dieses Orchester hatte Musiker, die immer noch ihre gestreiften KZ-Uniformen trugen. Es gab eine kleine Bühne. Und nach dem Konzert hielt Dr. Zalman Grinberg, der Krankenhausleiter, eine Rede, in der er über die Schrecken in den Konzentrationslagern sprach."

Chefarzt Grinberg stammte aus Litauen. Vor allem seiner Initiative ist es zu verdanken, dass in St. Ottilien ein Krankenhaus für ehemalige jüdische KZ Insassen eingerichtet wurde. Eine Ansprache, die er im Januar 1946 im Münchner Rathaussaal hielt, wurde damals mitgeschnitten: "In den Sammelpunkten von Gaskammern und Wartehallen von Krematorien konnte nur ein kleiner Rest vom Tode gerettet werden. Diese Menschen waren damals zu schwach, um sich zu freuen, zu sehr gedemütigt, um an den Gräbern ihrer Brüder und Schwestern zu jubeln."

Ein Publikum, das kaum sitzen kann

Bildquelle: U.S. Holocaust Memorial Museum, courtesy of Sonia Beker Beim Befreiungskonzert in St. Ottilien waren viele Patienten kaum in der Lage zu sitzen, geschweige denn zu gehen. Sie verfolgten das Konzert liegend auf Bahren. Andere konnten die Musik nur durch die geöffneten Krankenhausfenster hören. Zum Schluss sangen alle gemeinsam die Hatikvah, die zionistische Hymne. In der Hoffnung, dass es bald einen eigenen Staat Israel geben würde.

Die gestreiften KZ Uniformen wurden zum Markenzeichen dieses kleinen Orchesters, das in den Nachkriegsjahren unter dem Namen Ottilien Orchestra auftrat. Sogar der junge Leonard Bernstein war zu Besuch, um 1948 dieses besondere Ensemble bei einem Konzert in Landsberg zu leiten, und zeigte sich tief bewegt: "Mein Herz hat geweint. Es war schön, sich durch Musik den Menschen zu nähern, die vorher nur Hass empfunden hatten", schrieb Bernstein über die Begegnung.

Gedenkkonzert mit Anne-Sophie Mutter

Am Sonntag, 23. September 2018 findet um 15:00 Uhr im Kloster St. Ottilien ein Benefizkonzert zum Gedenken an das Konzertereignis vom September 1945 statt, im Rahmen des Festivals "AMMERSEErenade". Mit dabei: Star-Geigerin Anne-Sophie Mutter.

Sendung: Allegro auf BR-KLASSIK am 21. September 2018 um 6:05 Uhr.