BR-KLASSIK

Inhalt

Entschädigung für mögliche NS-Raubgut-Geige Nürnberger Stiftung hat 285.000 Euro bezahlt

Die wertvolle Geige eines Meisters aus der Guarneri-Familie war im Besitz eines jüdischen Händlers, ehe sie den Nationalsozialisten in die Hände fiel. Derzeit ist das Instrument im Besitz der Nürnberger Franz Hofmann und Sophie Hagemann Stiftung. Doch die Erben des Vorbesitzers forderten seit Jahren eine Entschädigung für die Geige. Zunächst war von 100.000 Euro die Rede. Die NS-Raubgutkommission hatte ihre Empfehlung auf 285.000 Euro erhöht. Nun hat die Stiftung die volle Summe überwiesen.

Bildquelle: dpa-Bildfunk

Fast dreimal so hoch wie ursprünglich festgesetzt ist damit die Summe, die die Nürnberger Franz Hofmann und Sophie Hagemann Stiftung den Erben als Entschädigung gezahlt hat. Die Geige des Geigenbauers Giuseppe Guarneri "filius Andreae" aus dem 18. Jahrhundert war zum teuren Streitobjekt geworden. Es handelt sich um ein Instrument, das der Vater des berühmten Guarneri del Gesù erschaffen hat. Dessen Geigen werden heute für hohe Millionenbeträge gehandelt.

Der Musikalienhändler Felix Hildesheimer aus Speyer verlor aufgrund seiner jüdischen Abstammung unter den Nazis sein Wohnhaus und seine Musikalienhandlung, und damit auch das wertvolle Instrument. Die Familie verließ Deutschland, Hildesheimer selbst beging Selbstmord.

Langes Warten auf Entschädigung

1974 kaufte die Nürnberger Geigerin Sophie Hagemann die Guarneri. Nach ihrem Tod im Jahr 2010 ging die Violine in den Besitz der Franz Hofmann und Sophie Hagemann Stiftung über. Da die Provenienz nicht lückenlos klärbar war, willigte die Stiftung im Jahr 2016 ein, den Erben Hildesheimers als Entschädigung 100.000 Euro zu zahlen. Doch sie zahlte das Geld nicht aus - und begründete dies mit neuen Forschungsergebnissen: Wahrscheinlich habe der Musikalienhändler Hildesheimer die Geige "nicht auf eine Weise verloren, durch die die Erben einen Anspruch auf Wiedergutmachung hätten".

Wert der Violine neu geschätzt

Diese Mitteilung der Stiftung sorgte für öffentliche Empörung; die Erben drohten mit Klage und schalteten einen US-Anwalt ein, woraufhin der Stiftungsvorstand zurücktrat. Der neu bestellte Vorstand willigte ein, den Entschädigungswert der Violine neu bewerten zu lassen. Dies ist im Dezember geschehen: Die NS-Raubgutkommission empfiehlt der Stiftung eine Zahlung von 285.000 Euro - ein Mittelwert aus Expertenschätzungen nach der Restaurierung des Instruments.

Rainer Kotzian, Vorsitzender der Stiftung, erklärte auf Nachfrage von BR-KLASSIK: "Die Stiftung möchte selbstverständlich zu ihrem Wort stehen und diese Zahlung auch tätigen." Die Summe wurde von der Stiftungsaufsicht freigegeben und kann an die Erben überwiesen werden, bestätigte Kotzian. Am 31. Dezember 2021 teilte die Stiftung nun mit man habe die volle Summe tags zuvor überwiesen.

Geige soll "Instrument der Verständigung" werden

Die Kommission regt außerdem ein Gedenkkonzert an. Aus der 1706 gebauten Guarneri-Geige soll so "ein echtes Instrument der Verständigung" werden. Rainer Kotzian gefällt diese Idee und er hofft, dass auch die Erben von Felix Hildesheimer teilnehmen.

Sendung: "Leporello" am 9. Dezember 2021 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
und
"Allegro" am 3. Januar 2021 ab 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK

Dieser Artikel wurde am 6. Dezember 2021 erstmals veröffentlicht und am 9. Dezember 2021 sowie am 3. Januar 2021 aktualisiert.