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Kinostart "Orphea in love" Nähkästchen mit Axel Ranisch

Eine Opernverfilmung oder doch eher ein Spielfilm? Axel Ranischs "Orphea in love" lässt sich nur schwer in ein Genre stecken. Am 1. Juni kommt der BR-Koproduktion offiziell in die Kinos. Im Interview mit BR-KLASSIK plaudert Axel Ranisch schon ein wenig aus dem Nähkästchen.

Regisseur Axel Ranisch  | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

BR-KLASSIK: Axel Ranisch, "Orphea in love", so heißt das, worüber wir jetzt sprechen wollen, aber was ist es denn überhaupt? Ist es ein Opernfilm oder eine Opernadaption oder eine Art Spielfilm? Können Sie das Genre ein bisschen benennen?

Axel Ranisch: Ich glaube, es ist ein musikalisches, filmisches Liebesmärchen. Tatsächlich habe ich ein bisschen das Gefühl, wir haben eine neues Genre erfunden. Zumindest kenne ich keinen Film, der so ähnlich ist, oder ich wüsste kein Genre, in das unser Film in dieser Form reinpassen würde, weil es ist wirklich ein bisschen was von allem: Es ist ein richtiger Film, ein Spielfilm, aber er benutzt ein kleines bisschen die Opernmusik, wie das in so einem Musical funktioniert, um mit den Mitteln des Films den Geist der Oper zu erwischen und das aber auch noch kombiniert mit Tanz und mit Mythologie und mit allem Möglichen, also wirklich etwas Neues.

400 Jahre Musiktheatergeschichte

BR-KLASSIK: Dem Ganzen liegt der Orpheusstoff zu Grunde. Kaum ein mythologischer Stoff ist wohl öfter vertont worden: Monteverdi, Gluck, Charpentier, Lully, Offenbach, man kann das noch mühelos fortsetzen. Woraus speist sich denn ihr Film nun musikalisch?

Axel Ranisch: Erstmal haben wir diesen Mythos aufgegriffen, weil es der vielleicht wichtigste und älteste Opernstoff der Musiktheatergeschichte ist. Und wir wollten aber weitergehen. Wir wollten Musik aus wirklich mehr als 400 Jahren Musiktheatergeschichte benutzen und wir fangen natürlich bei Monteverdi an mit der Toccata aus 'L'Orfeo'. Und dann geht's eigentlich durch die Jahrhunderte über Händel und Gluck und Verdi und Puccini und Wagner und Tschaikowsky, auch zu Heitor Villa-Lobos und über John Adams bis hin zu natürlich der neu komponierten Musik von Martina Eisenreich, die alles miteinander verwoben hat mit ihrer Filmmusik.

Der Mythos in modern

BR-KLASSIK: Und welche Geschichte erzählen Sie dabei?

Axel Ranisch: Im Kern schon die Geschichte von Orpheus – der großen Muse aller Künstler –, der mit seiner wunderschönen Stimme die Welt bezaubert hat und dann seine Eurydike, in die er sich verliebt hat, an Pluto verloren hat und in die Unterwelt reisen muss, um sie zurückzukriegen. Aber wir erzählen es modern, also im Hier und Jetzt. Nele ist unser Orpheus. Wir haben die Geschlechter getauscht, schlicht und ergreifend, weil Mirjam Mesak für mich der tollste Orpheus ist, den man nur haben kann, und ich wollte sie unbedingt besetzen. Unsere Eurydike ist dementsprechend ein Mann, Kolya, ein Tänzer. Die beiden verlieben sich ineinander und er wird ihr weggerissen. Das ist letztendlich die gleiche Geschichte wie in dem Mythos, aber wir haben sie mit anderen Symbolen aufgeladen: Die sieben Türen aus Bartóks "Herzog Blaubarts Burg" spielen eine Rolle oder der Mythos von Rusalka kommt darin vor. Verschiedene Opernmythen und dieser Orpheusstoff kommt zusammen und erzählen eine neue Geschichte im Hier und Jetzt.

Infos zum Film

Mehr zum Inhalt von "Orphea in love" finden Sie hier.

Stille Kommunikation zwischen Sängerin und Tänzer

BR-KLASSIK: Nun haben sie also eine Sängerin und einen Tänzer als Protagonisten. Auf welcher Ebene kommunizieren die beiden denn?

Guido Badalamenti und Mirjam Mesak, Szene aus dem Film "Orphea in love" von Axel Ranisch | Bildquelle: Axel Ranisch "Orphea in love" erzählt den alten Mythos, nur modern: Orpheus ist eine Frau (Mirjam Mesak) und Eurydike ein Mann (Guido Badalamenti). | Bildquelle: Axel Ranisch Axel Ranisch: Auf der Ebene des Herzens und der Gefühle, jeder mit den Mitteln, die er zur Verfügung hat: Die Sängerin singt, der Tänzer tanzt und es wird ganz schnell klar, dass da zwei verlorene Seelen aufeinandertreffen, die zueinander gehören. Im Produktionsprozess war das natürlich spannend, weil wir Schauspieler haben, wir haben Sängerinnen, wir haben Tänzer und ich musste erstmal als Regisseur eine Sprache finden, wie wir das alles zusammenbringen. Das haben wir dann in Workshops miteinander rausgefunden, auch zusammen mit unserem Choreografen Moritz Ostruschnjak. Und das Schöne daran war, dass in diesen Workshopprozessen die Figuren, die Charaktere so richtig entstanden sind und wiederum Einfluss hatten auf die Geschichte. Das heißt, wir haben quasi die ganze Zeit Pingpong gespielt.

BR-KLASSIK: Das heißt, der Tänzer antwortet der Sängerin durch Bewegung?

Axel Ranisch: Ja, er ist eine stumme Rolle. Er spricht nicht, er bewegt sich. Es ist jetzt nicht so plakativ, wie es klingt, sie singt was und er antwortet tanzend. Das läuft alles viel zwischenmenschlicher und viel poetischer ab. Aber ja, letztendlich spricht er durch seine Bewegungen.

Erster Spielfilm für Hauptprotagonisten

BR-KLASSIK: Nun ist Mirjam Mesak Sängerin, Ensemblemitglied an der Staatsoper. Wie hat sie sich denn als Filmschauspielerin geschlagen?

Axel Ranisch: Unfassbar! Atemberaubend! Also beide, sowohl Mirjam als auch Guido Badalamenti, unser Tänzer. Es ist für beide der erste Spielfilm und man kann es sich nicht vorstellen, wenn man sie beim Spielen sieht und ihnen zuguckt. Da ist nichts von dem Klischee, was man manchmal hat, wenn man sagt: 'Da ist ein Sänger, der muss sich so auf Singen konzentrieren, dass er nicht mehr spielen kann.' Das ist ganz anders bei Mirjam. Die ist so reingetaucht in diese Rolle und sie hat so viel von sich und ihrer eigenen Persönlichkeit in die Rolle reingesteckt, dass man, glaube ich, keine Sekunde daran zweifelt, dass sie nicht eine grandiose Schauspielerin ist.

Sendung: "Leporello" am 11. Mai 2023 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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