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Dirigentin Joana Mallwitz debütiert beim BRSO Kontrollierte Ekstase

Spätestens seit ihrem gefeierten Debüt bei den Salzburger Festspielen 2020 zählt Joana Mallwitz zu den wichtigsten Dirigent*innen ihrer Generation. Nun steht sie erstmals am Pult des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Im Interview mit BR-KLASSIK erzählt sie, warum sie musikalische Neubegegnungen so schätzt – und wieso Beethovens 7. die tänzerischste unter seinen Sinfonien ist.

Joana Mallwitz | Bildquelle: © Simon Pauli

Bildquelle: © Simon Pauli

BR-KLASSIK: Sie geben aktuell Debüts am laufenden Band und sind nun auch zum erst Mal beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zu Gast. Ist das schön? Oder ist das auch sehr fordernd?

Joana Mallwitz: Klar, ein Debüt ist ein Debüt. Da geht es auch um gegenseitiges Begutachten: Wie versteht man sich? Ich bin immer jemand gewesen, der sich gerne fest an einen Ort bindet und dort kontinuierlich mit einem Orchester zusammenarbeitet. Wie in Nürnberg die letzten Jahre und dann ab nächstem Jahr in Berlin. Ich glaube aber, dass zumindest für mich persönlich beides wichtig ist, weil es sich gegenseitig inspiriert. Wenn man regelmäßig zusammenarbeitet, muss sich nicht mehr kennenlernen, man kann sofort in der Tiefe gehen – sozusagen graben. Und gleichzeitig ist es wichtig, sich immer wieder der Situation auszusetzen, frisch irgendwohin zu kommen, wo niemand einen kennt und zu schauen: Wie funktioniert das? Wie machen das andere Orchester? Was geben sie mir? Und was kann ich mitbringen, wenn ich nach Hause komme und hier wieder arbeite? Also, ich finde, beides ist ungeheuer wichtig.

Ich bin jemand, der sich gerne fest an einen Ort bindet.
Joana Mallwitz

BR-KLASSIK: Sie sind eine ausgemachte Kommunikatorin, Sie sprechen viel über Musik. Berühmt sind Ihre Expeditionskonzerte in Nürnberg. Wie kam Ihnen die Idee dazu? Wurde das aus der Not geboren, weil sie fanden, hier läuft was schief im Klassikbetrieb?

Joana Mallwitz: Also, eigentlich bin ich froh, wenn ich nicht sprechen muss. Die Expeditionskonzerte, das war eine Idee, die ich hatte, als ich nach Erfurt ging und meine erste Geschäftsstelle angetreten habe. Das kennt, glaube ich, jeder von uns: Man sitzt über den Noten und denkt, Mensch, wow, diese Stelle würde ich am liebsten jedem vorspielen. Und ich kann sehr gut verstehen, dass jemand, der keine große Beziehung zu Konzerten oder zur Oper hat, sich fragt: Warum sollte man da reingehen? Vielleicht gibt es da auch eine gewisse Scheu: Ich weiß da ja gar nichts drüber! Darf ich da überhaupt hin, muss ich da nicht irgendwie ganz viel erst mal drüber wissen, um das genießen zu können? Ich weiß nicht, was ich anziehen und wann ich klatschen soll! – All diese Dinge.

Joana Mallwitz | Bildquelle: Simon Pauly Joana Mallwitz am Pult der Nürnberger Staatsphilharmonie | Bildquelle: Simon Pauly Das ist so eine Barriere, die wir irgendwie durchbrechen müssten. Ich bin mir nämlich ganz sicher: die Neugier ist eigentlich da bei bei ganz, ganz vielen Menschen. Nur: Die meisten wissen gar nicht, was sie verpassen und was das für eine irre Freude sein kann, so eine Beethoven-Sinfonie zum Beispiel anzuhören. Man muss dafür auch gar nicht viel wissen. Deshalb sollte es überhaupt nicht darum gehen, jetzt irgendwie Stücke zu erklären. Es ist ein ganz persönlicher Wunsch gewesen, einfach zusammen mit dem ganzen Orchester auf der Bühne zu sein und in Kontakt zu treten mit dem Publikum. Es geht eigentlich immer darum, beim Publikum die Ohren zu schärfen, sozusagen die Ohren ganz groß werden zu lassen. Und dann, und das ist mir am allerwichtigsten, wird das ganze Stück gespielt!

Eigentlich bin ich froh, wenn ich nicht sprechen muss.
Joana Mallwitz

BR-KLASSIK: Kommen wir zu Beethovens 7. Sinfonie, die Sie beim BRSO dirigieren. Da haben sie auch mal einen Video-Rundgang in Zusammenarbeit mit BR-KLASSIK gemacht. Überschrift: "Der betrunkene Beethoven". Warum das?

Joana Mallwitz: Aus dem Grund, weil es so lustige Zitate gibt von Zeitzeugen, die nach der Uraufführung dieser 7. Sinfonie gemeint haben, Beethoven müsse doch bestimmt betrunken gewesen sein, als er das geschrieben hat. Also gerade dieser vierte Satz, der sich so wahnwitzig steigert und regelrecht ins Tanzen gerät. Gleichzeitig hat Beethoven diese Symphonie wahnsinnig gut gebaut und alles durchdacht – kontrollierte Ekstase sozusagen. Das finde ich einfach wahnsinnig spannend an diesem Werk.

Jeder Satz tanzt.
Joana Mallwitz über Beethovens 7. Sinfonie

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Videorundgang durch Beethovens Siebte Symphonie mit JOANA MALLWITZ | Bildquelle: BR-KLASSIK (via YouTube)

Videorundgang durch Beethovens Siebte Symphonie mit JOANA MALLWITZ

BR-KLASSIK: Rhythmus ist sehr, sehr wichtig in dieser Sinfonie...

Joana Mallwitz: Ich würde sagen, was sie wirklich auszeichnet, auch unter den anderen Beethoven-Sinfonien, ist, dass sie immer tanzt. Jeder Satz tanzt. Der erste Satz ist ein beschwingter Tanz mit diesen punktierten Rhythmen. Der letzte Satz ist ein ganz exakt ekstatisch fiebernder Tanz, der auch wirklich physisch und psychisch allen etwas abverlangt. Der dritte Satz tanzt sowieso – wie es auch meistens in einer klassischen Symphonie der Fall ist. Und sogar der zweite Satz tanzt, der ja eigentlich der langsame oder lyrische Satz ist und der auch melancholische Anklänge hat und von manchen auch als Trauermarsch wahrgenommen wird. Aber es steht eben "Allegretto" drüber, und enthält ein tänzerisches Element, das sich durchzieht. Also, eigentlich sind wir die ganze Zeit in dieser Sinfonie in einem beschwingten Schritt unterwegs.

BR-KLASSIK: Tanzen Sie auch ein bisschen, wenn sie dirigieren?

Joana Mallwitz: Nein, ich kann überhaupt nicht tanzen. Deshalb bin ich Dirigentin geworden.

Das Gespräch führte Uta Sailer für BR-KLASSIK.

Sendung: "Konzert des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks" am 24. Juni 2022, ab 20:05 Uhr, auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Samstag, 25.Juni, 17:39 Uhr

Ursula Barkhorn

Konzert mit Joana Mallwitz

Frau Mallwitz hat die 7. von Beethoven durchaus tãnzerisch und Recht dynamisch prãsentiert, ebenso haben mich R. Strauss und Tschaikowsky erfreut. Danke...ein gelungener Konzertabend.

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