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Dem Komponisten Werner Heider zum 90. Geburtstag Freiheit und Verantwortung

"Kinder, schafft Neues!" – diese Aufforderung Wagners hat Werner Heider stets beherzigt. Er gehört zu den bedeutenden zeitgenössischen Komponisten in Bayern. Am 1. Januar feiert der Erlanger Komponist seinen 90. Geburtstag.

Der Komponist Werner Heider | Bildquelle: Archiv Studio Franken

Bildquelle: Archiv Studio Franken

Als Werner Heider 2006, anlässlich der Uraufführung seines Orchesterwerks "Architektur" bei der Münchner musica viva, gefragt wurde, welche metaphysischen oder symbolischen Vorstellungen sich hinter dem formalen Grundriss verbergen würden, verblüffte er sein Gegenüber mit einer sehr klaren Antwort: "Mein Stück ist ganz einfach eine Komposition von musikalischer Architektur. Da soll nichts weiter hineingeheimnist werden, auch gibt es keine außermusikalischen Vergleiche." Ein Statement, das über den konkreten Anlass hinaus zugleich ein wesentliches Moment von Heiders Musik benennt. Denn auch wenn viele seiner Werke durch andere Kunstformen, durch Autobiographisches oder Privates angeregt wurden, vereinzelt sogar zeitgeschichtliche Ereignisse reflektieren – am Ende des Schaffensprozesses steht jeweils kein weltanschauliches Statement, keine philosophische Spekulation in Tönen, sondern ein Stück autonomer, absoluter Musik.

Werner Heider auf BR-KLASSIK

2. Januar 2020, Horizonte, 22:05 Uhr
Oboenkonzert – "Stationen" (Valentin Krämer, Oboe; Camerata Franconia: Dorian Keilhack); "Edition" (Werner Heider, Klavier); "Architektur" (Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks: Peter Eötvös)

30. Januar 2020, Horizonte, 22:05 Uhr
"Sechs Eigenschaften"; Fünf Klavierstücke; Klarinettenquintett; "Lamento passionato"; Sieben Teile für Klaviertrio
Aufnahme vom 15. Januar 2020 im Rahmen der Reihe "unerHört!" in Erlangen

Musik als Lebenselixier

Heider bekennt sich zu "anspruchsvoller Musik für anspruchsvolle Leute", Konzessionen an einen wie auch immer gearteten Publikumsgeschmack sind ihm fremd. Und doch hat er mit seinem umfangreichen Werk, hat er als Pianist, Dirigent und langjähriger Leiter des ars nova ensembles nürnberg dem fränkischen Kulturleben über Jahrzehnte hinweg seinen Stempel aufgedrückt. Für viele Menschen in der Metropolregion Nürnberg ist der Name Heider zum Synonym für Neue Musik geworden und sein verschmitztes Lächeln, sein wach blitzender Blick, umrahmt vom inzwischen weißen Haarschopf, zum Gesicht der Avantgarde. Musik war schon immer sein Lebenselixier. Geboren am 1. Januar 1930 in Fürth, gehört das Bild einer Kaffeehaus-Kapelle mit Saxophon und Drumset zu seinen frühesten Kindheitserinnerungen. Wo andere Kinder von der Spielzeugeisenbahn träumen, wünschte sich der vierjährige Werner ein Schlagzeug zu Weihnachten. Diese Affinität zum Rhythmischen ist ihm geblieben; noch heute notiert er häufig von einer neuen Komposition zuallererst eine Rhythmus-Partitur.

Lebensstationen

Geistige Unabhängigkeit

Nach dem Krieg gründete Werner Heider eine Band, spielte für die amerikanischen Truppen und entdeckte Benny Goodman, Stan Kenton und Woody Herman für sich; er habe, sollte er später sagen, "so ein Ur-Feeling für den Jazz". Gleichzeitig nahm der 15jährige aber auch klassischen Kompositionsunterricht bei Willy Spilling, dem späteren Leiter der Musikabteilung im BR-Studio Nürnberg, und schloss 1951 ein Klavier-, Dirigier- und Kompositionsstudium in München an. Die spannenden Impulse gingen aber nicht vom recht biederen Lehrer Karl Höller aus, sondern von den Besuchen bei den Darmstädter Ferienkursen. Heider tauchte dort tief in die Welt der Nachkriegs-Avantgarde ein, ohne sich je von einer Schule vereinnahmen zu lassen. Seine geistige Unabhängigkeit hat er sich bewahrt; in seinem reichen Anekdotenschatz haben Mauricio Kagel und Bruno Maderna (der seine Musik dirigiert hat) Platz neben Chet Baker und dem Modern Jazz Quartet (für das er komponiert hat). Unter dieser Vielseitigkeit habe er auch gelitten, sagt Heider; ein zeitgenössischer Komponist, der einen Jazzclub besucht, sei damals betrachtet worden "wie ein Mönch, der ins Bordell geht".

Freiheit und Verantwortung

Freiheit hat Werner Heider immer großgeschrieben. Und so ist ihm – mit einer guten Portion Beharrlichkeit, Überzeugungskraft und einem die engen Grenzen der Neuen Musik überschreitenden Netzwerk – auch das Kunststück geglückt, ein Leben als freischaffender Komponist zu führen, unabhängig von institutionellen Zwängen. Dafür erfuhr er bald Anerkennung, unter anderem durch ein zweimaliges Stipendium für die Villa Massimo in Rom, die Kulturpreise der Städte Nürnberg, Fürth und Erlangen (wo er seit 1958 wohnt) oder den Wolfram-von-Eschenbach-Preis; seit 2019 ist er zudem Ehrenmitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.

Der Komponist Werner Heider | Bildquelle: Archiv Studio Franken Werner Heider 2003 mit dem "ars nova ensemble nürnberg" | Bildquelle: Archiv Studio Franken Legendär wurden seine Auftritte mit dem "ars nova ensemble nürnberg", das er 1968 gegründet hatte – also lange bevor es das Ensemble Modern oder das Ensemble Intercontemporain gab. Fast ein halbes Jahrhundert lang stand Heider hier am Pult, hat zahllose eigene wie fremde Werke uraufgeführt und anschließend für den Bayerischen Rundfunk aufgenommen – mit hochpräzisen, akkuraten, zugleich vor Energie vibrierenden Dirigiergesten, die viel über sein musikalisches Denken verraten. Denn Heiders Kompositionen sind stets durch klare Strukturen geprägt, auch wenn sie sich nur selten an überkommenen Formmodellen orientieren. Zugleich steht bei aller Abstraktion das kommunikative Moment im Vordergrund; seine Musik, vom Solostück bis zum Orchesterwerk, wirkt stets plastisch und zeichnet sich durch gestische Unmittelbarkeit aus. Dabei gilt für ihn bei der Komposition die Maxime: "Jedes Stück sollte mit größter Verantwortung geschaffen sein."

Eigentlich komponiere ich für die Ewigkeit!
Werner Heider

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