BR-KLASSIK

Inhalt

Kritik – "Träume" bei den Osterfestspielen Salzburg Kinder! Macht Neues!

Als Intendant der Salzburger Osterfestspiele präsentiert Nikolaus Bachler in diesem Jahr erstmals zwei neue Sparten, Tanz und Elektromusik. Und engagierte dafür den israelischen Choreografen Emanuel Gat und seine Compagnie sowie den DJ Westbam. Beide Produktionen kreisen um Wagner – und ergänzen damit den aktuellen "Tannhäuser". Am frühen Abend gab's die Tanzkreation "Träume", am späten Abend dann "Westbam meets Wagner" in einer "Night of Love".

Auf der leeren Bühne der Felsenreitschule: zwei rote Sofas, auf einem liegt ein Mann im roten Rüschenkleid. Daneben wie Orgelpfeifen aufgereiht auf einer Treppe, die zu den mittleren Arkaden führt, die ganz in weiß gekleidete Dance Company von Emanuel Gat. Im ersten Teil seiner Salzburger Kreation "Träume" bilden die sieben Frauen und sieben Männer skulpturale Menschenknäuel, verschlungene Körper, organische Wucherungen. Kleinere Gruppen lösen sich aus dem Kollektiv und agieren in hochexpressiver Körpersprache zu zweit, dritt oder viert, dem einstmals revolutionären Ausdruckstanz nicht unähnlich. Immer wieder erstarrt die Truppe zu Tableaux vivants, lebenden Bildern, dekorativ zu Skulpturen geformt, wie wir sie von antiken Tempelfriesen kennen. Dazu rezitiert ein Tänzer Fragmente aus Richard Wagners Schrift "Die Kunst und die Revolution", eine Tänzerin im Dialog dazu Schnipsel aus Mathilde Wesendoncks Gedichten, die Wagner vertont hat.

Farbenprächtige Stoffmassen

Tänzerinnen und Tänzer der Emanuel Gat Dance Company mit "Träume" bei den Salzburger Osterfestspielen | Bildquelle: Erika Mayer Bildquelle: Erika Mayer Dann kommt plötzlich Bewegung in die Truppe – und Wagners "Wesendonck-Lieder" dröhnen durch die Weite der Felsenreitschule, in der Aufnahme mit Julia Varady und Dietrich Fischer-Dieskau am Pult des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin. Jetzt stecken alle in den opulenten, rokokohaften Roben von Thomas Bradley – gar nicht so leicht, sich in diesen farbenprächtigen Stoffmassen die nötige Bewegungsfreiheit zu erkämpfen. Doch Emanuel Gats diverse, hochvirtuose Truppe, die von starken Individuen getragen wird, schafft das spielend: extreme Drehungen, Konvulsionen am Boden, gereckte Hände.

In ihrem permanenten Bewegungsfluss korrespondiert Gats Choreografie durchaus mit der unendlichen Melodie Wagners. Sie entwickelt hohe Imaginationskraft aus Formationen, die an Schlingpflanzen oder Jugendstilranken erinnern – was nicht schlecht passt zu Wagners schwül-morbiden Klängen. Vor dem letzten Lied "Träume" schlagen Flammen aus den Arkaden – die Revolution lässt grüßen –, bevor sich Gats Nachtschattengewächse in der Dunkelheit verlieren.

Wagner und Electro – eine erstaunliche Melange

Nach dieser merkwürdigen Séance dann zu später Stunde am selben Ort ein radikaler Szenenwechsel. Ganz anderes Publikum, viele Babyboomer, aber auch viel junge Leute, erwartungsfrohe Gesichter, aufgekratzte Stimmung. Auf der Bühne ein Kammerorchester: die Mendelssohn-Orchesterakademie des Leipziger Gewandhausorchesters. Und dann tritt ER auf, Maximilian Lenz, 58, besser bekannt als DJ Westbam. Mit Cap und Kopfhörer thront er am Mischpult, wiegt sich in den Hüften und legt los mit seinen hämmernden Beats, mit denen er Wagners Klangfetzen überzieht. Der junge Dirigent Oscar Jockel hat die Orchester-Arrangements nach Westbams Ideen produziert und hält die beiden Welten präzise zusammen: Wagner und Disco. Und das geht dann doch erstaunlich gut zusammen – die unendliche Melodie und der unendliche Beat.

Westbams wohlig wogendes Wonnebad

DJ Westbam | Bildquelle: picture-alliance/dpa DJ Westbam | Bildquelle: picture-alliance/dpa Für Wagner-Kenner ist das ein hübsches Ratespiel: Mit dem "Rheingold"- Vorspiel geht’s los, viel "Ring"-Material wird verwurstet, die "Holländer"-Gischt brandet ebenso auf wie der "Tristan"-Akkord, "Tannhäuser" und sogar der ehrwürdige "Parsifal" kreuzen auf. DJ Westbam greift diese Motive auf, sampelt sie – und macht dann doch sein eigenes Ding. Gescratchte Klänge wechseln mit zugespielten Vocals, Textfetzen von Rainald Goetz mit Clubatmosphäre. Ein wilder Mix, eine Art Klassik-Disco-Fusion, die zusammen mit der fantastischen Lightshow und psychedelischen Videos dafür sorgt, dass man bald die Waffen streckt und sich Westbams wohlig wogendem Wonnebad ergibt.

Kontrapunkt zum elitären Festspiel-Zirkel

Mal was anderes in diesen heiligen Salzburger Hallen, am Ende Jubel, Standing Ovation, Pfiffe wie bei Popkonzerten. Und ja, Westbam ist in der Hochkultur angekommen. Festspiel-Intendant Nikolaus Bachler hat es raus, wie man sein Publikum abholt, besser noch: Wie man neues gewinnt. Die neuen Sparten Tanz und Elektro setzen einen schönen Kontrapunkt zum elitären Festspiel-Zirkel. Schließlich hat schon Wagner gefordert: "Kinder! macht Neues! Neues! Und abermals Neues!"

Kommentare (2)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.

Mittwoch, 12.April, 15:55 Uhr

Hildegund

Jurkovics

Ich fand die Tanz-Performance sehr gut, vorallem die leisen Stellen, die mit gesprochenem Wort, Schritten und Rascheln der Kleider auskamen. Es war auch noch OK, wenn die Musik leise eingespielt wurde. Bei den lauten Stellen war die Tonqualität leider so richtig schlecht. Es waren keine Höhen und Tiefen vorhanden, es klang so, als wäre die Tonanlage zu schwach dimensioniert. Schade, ich finde, das ist einer Felsenreitschule nicht würdig. In einer mittleren Landdisco klingt es besser.
Ich fand auch nicht, dass es eine Vorstellung für Kinder war.

Samstag, 08.April, 18:29 Uhr

Isabel Seyfang

Bewertung Osterfestspiele Träume

Ich fand es nicht so toll.
Es ist eher etwas für eltere nicht für kleinere
Ich würde es trotzdem wieder anschauen

    AV-Player