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Kritik - Vilde Frang in München Ein etwas anderes Klassik-Konzert

Zwei junge Frauen – Mirga Gražinytė-Tyla und Vilde Frang – stehen mit dem City of Birmingham Symphony Orchestra in München auf der Bühne. Und zeigen mit Elgars "Violinkonzert" und Prokofjews "Romeo und Julia" wie divers, leger und gleichzeitig exzellent klassische Konzerte funktionieren können.

Die norwegische Violinistin Vilde Frang | Bildquelle: BR

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Erster Eindruck: Wie viele junge Leute im City of Birmingham Symphony Orchestra sitzen! Und vom Frauenanteil her – geschätzt – ziemlich paritätisch besetzt. Ein ungewöhnliches Orchester, ziemlich divers, etwas legerer im Auftreten, als wir es im steifen München gewohnt sind. Und dann wird es richtig spannend, als die filigrane Mirga Gražinytė-Tyla mit der hochgewachsenen Vilde Frang die Bühne betritt – und Edward Elgars elegischer Sound das Publikum die nächsten fünfzig Minuten gefangen hält. So lange nämlich dauert sein für Fritz Kreisler geschriebenes und von dem legendären Geiger 1910 in London triumphal uraufgeführtes Violinkonzert.

Vilde Vrang zeigt makelloses Geigenspiel der Extraklasse

Mit großem Ernst, hochkonzentriert, und auswendig spielt Vilde Frang, die zuletzt ein Album mit Werken von Bartók und Enescu herausgebracht hat, den enorm anspruchsvollen Solopart – staunenswert, wie sich die norwegische Geigerin seit ihrem Debüt beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks vor gut zehn Jahren künstlerisch weiterentwickelt hat. Technisch mit allen Wassern gewaschen, blitzsauber in der Intonation und absolut höhensicher – Elgar verlangt der Solistin ganz schön exponierte Spitzentöne ab. Den rhapsodisch erzählerischen Tonfall Elgars beherrscht sie genauso wie das virtuose Flirren, das Spiel mit Arabesken und Arpeggien. Nie ist Vilde Frangs Ton seifig – immer fokussiert, nobel, samtig. Aber zupacken kann sie auch. Das war makelloses Geigenspiel der Extraklasse, was Vilde Frang da geboten hat über eine so weitgespannte Seelenlandschaft hin, wie sie Elgar in seinem schönheitstrunkenen Violinkonzert ausbreitet.

Hellwach und agil: Mirga Gražinytė-Tyla

Großen Anteil am Gelingen dieses musikalischen Abenteuers hat die hellwach agile Mirga Gražinytė-Tyla am Pult, die den großen Spannungsbogen nie abreißen ließ. Faszinierend, wie flexibel und organisch sie die ständigen Tempowechsel managte. Mit einer überaus eleganten und vor allem präzisen Schlagtechnik, von der sich manche Kollegen eine Scheibe abschneiden könnten, die Dirigieren mit ausgreifendem Körpereinsatz verwechseln. Da klebte nichts im Orchester, Gražinytė-Tyla hielt Elgars Musik stets im Fluss, wie eine Wildkatze immer auf dem Sprung.

Nach der Pause gibt es "Romeo und Julia"

Von einem Weltklasse-Orchester ist das City of Birmingham Symphony Orchestra dann doch noch ein Quäntchen entfernt, wie Gražinytė-Tylas Zusammenstellung von Highlights aus Sergej Prokofjews Ballett "Romeo und Julia" nach der Pause zeigte. Gražinytė-Tyla war bis 2022 Chefdirigentin des Orchesters und folgte weitgehend der Handlung von Shakespeares Liebestragödie – und endete im Pianissimo mit dem herzzerreißenden Tod Julias. Mit schneidender Schärfe spitzt Gražinytė-Tyla die brutalen Gefechte in "Tybalts Tod" unerbittlich zu. Schon in den pointierten "Masken" hat sich ihr Sinn für die pulsierenden Rhythmen, die schräge Harmonik und die kühle Eleganz Prokofjews gezeigt. Und die Musikerinnen und Musiker aus Birmingham kosten die grandiose Instrumentation der Partitur, die auch ein Saxophon einbezieht, in vollen Zügen aus. Die tragische Wucht des großen Streichersounds wirkt beklemmend. Am Ende lange Stille – und dann endloser Jubel für ein außergewöhnliches Gastspiel.

Sendung: "Allegro" am 30. März 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Donnerstag, 30.März, 09:45 Uhr

Gufo

München

Was soll denn das nun wieder heißen "im s t e i f e n München" ?Stört den Kritiker etwa, dass die Konzert- und Opernbesucher etwas besser gekleidet sind als anderswo ? Oder passt es ihm nicht, dass die Zuhörer ruhig die Musik genießen ? Soll das neue Klassikpublikum mit löchrigen Jeans seine Wertschätzung gegenüber dem zumeist bestgekleideten Orchester zum Ausdruck bringen?In einer Zeit, die den Sinn für Schönheit immer mehr verliert,sind Ausdrücke wie der obige unangemessen.

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