"Die Teufel von Loudun“ von Krzystof Penderecki gehört zu den wichtigsten Opern der letzten 100 Jahre. Eine Geschichte über verbotene Liebe und politische Intrige, die für die Protagonisten wahlweise mit einem Exorzismus oder auf dem Scheiterhaufen endet. Höchste Zeit also, dass die Bayerische Staatsoper das Werk auf den Spielplan setzt. Am kommenden Montag hat das Musikdrama in einer Inszenierung von Simon Stone Premiere – im Rahmen der Münchner Opernfestspiele. Ein Vorbericht.
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"Die Teufel von Loudun" sind eigentlich ein Politthriller. Und dazu nach einer wahren Geschichte. Das Libretto der Oper basiert auf einem Roman von Aldous Huxley, "The Devils of Loudun". Krzystof Penderecki las den Text, war fasziniert und machte ihn zur Grundlage seiner Oper, die 1969 uraufgeführt wurde.
Kurze Zusammenfassung: 1634 verliebt sich die Nonne Jeanne in den Priester Grandier. Um ihn ständig um sich zu haben, will sie ihn zum Beichtvater des Klosters machen, was dieser ablehnt. Daraufhin klagt Jeanne Grandier an, sie und ihre Mitschwestern mit Hilfe von Dämonen verführt zu haben. Ein Lüge, zumindest eine fixe Idee – in einer Art Massenhysterie folgen ihre Mitschwestern jedoch dieser Darstellung.
Wirklich brisant wird die Anschuldigung, weil Grandier als liberaler Geistlicher Opfer einer politischen Intrige wird. Der allmächtige Kardinal Richelieu möchte die Stadtmauern von Loudun einreißen lassen, quasi als Friedensangebot an die Protestanten. Grandier spricht sich gegen diesen Vorgang aus. Da kommen den Anhängern Richelieus die Vorwürfe grade recht. An den Nonnen werden Exorzismen durchgeführt und Grandier – der bis zum Schluss seine Unschuld gegenüber Jeanne beteuert – wird auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
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Sängerdarstellerin: Die Sopranistin Ausrine Stundyte | Bildquelle: www.ausrinestundyte.eu/
Ausrine Stundyte ist weltweit gefragt wegen ihrer Darstellungen komplexer, tief- und abgründiger Figuren. Wie Elektra, Katerina Ismailova in Schostakowitschs "Lady Macbeth von Mzensk" oder Renata in "Der Feurige Engel" von Prokofjew. Die Jeanne, die sie in München zum ersten Mal singen wird, passt perfekt in dieses Repertoire. "Diese Frau erstickt quasi an ihrer Weiblichkeit", meint Stundyte. "Sie wurde gegen ihren Willen ins Kloster gesteckt und kämpft mit ihrem wahren Selbst. Ihr fehlt die Lebenserfahrung. Und die Qual zwischen der Moral, dem, was ihr von außen auferlegt ist, und dem, was in ihr drinsteckt, zersprengt sie und gerät außer Kontrolle. Ich glaube nicht, dass ihre Beschuldigung gegenüber Vater Grandier bewusst ist. Sie hat das aus purem Schmerz, aus Lust, aber auch Verzweiflung quasi herausgespuckt. Dann war es passiert. Dann musste sie immer ihre eigene Geschichte weiterspielen. Und so ist sie ein Opfer ihrer Selbst und der Umwelt. Und wird dabei selbst zur Täterin."
Krzystof Penderecki fordert für seine "Teufel von Loudun" eine einzigartige Mischung aus Textausdeutung, psychologischem Versenken, schauspielerischer Deklamation, Sprechgesang und immer wieder gesanglichen Ausbrüchen. In Extremlagen und Extremlautstärken. Man kann das Werk durchaus als Weiterführung von Bergs "Wozzeck" verstehen: Musiktheater, das die musikalischen Grenzen der gewöhnlichen Oper sprengt. Auch im Instrumentarium: E-Bass, singende Säge, sogar ein magnetisches Klebeband!
Nachdem seine gefeierte Inszenierung von Korngolds "Die tote Stadt" 2019 noch eine Übernahme vom Theater Basel war, kann man jetzt bei den "Teufeln von Loudun" von einem Hausdebüt für Simon Stone sprechen. Er ist als Regisseur bekannt für einen sehr realistischen, quasi cineastischen Stil. Zu den "Teufeln“, das in viele kurze, filmschnittartige Szenen unterteilt ist, scheint dieser Zugang ideal zu passen.
Wolfgang Koch zeigt sich auf jeden Fall sehr angetan von der Zusammenarbeit. Er singt erstmals den Grandier und schätzt genau den unverstellten Zugang, den Stone in seiner Inszenierung entwickelt. "Er macht das Stück so, wie es da steht. Also es ist keine große Verfremdung und auch nicht der Versuch, eine hermeneutische Deutung draufzusetzen." Bei einem so selten gespielten, weitgehend unbekannten Stück wäre das auch ein "Wahnsinn", meint Koch. "Das Stück ist genau so plausibel gemacht, wie es geschrieben ist. Und es ist eine fantastische Arbeit, denn er hat sich sehr genau mit dem Stück auseinandergesetzt."
Am Premierentag wird Wolfgang Koch allerdings nicht dabei sein: Der Bariton musste krankheitsbedingt kurzfristig absagen. Stattdessen steht Robert Dölle für ihn auf der Bühne, während der Sänger Jordan Shanahan die Partie von der Seite der Bühne aus singen wird.
Dirigent Vladimir Jurowski | Bildquelle: picture alliance/Leemage
Wenn Vladimir Jurowski irgendein Buch als Pflichtlektüre in den deutschen Schulen aussuchen dürfte, wäre es nach eigener Aussage "Die Teufel von Loudun" von Aldous Huxley. Für ihn ist es eine Art Politsatire über Machtmissbrauch und Massenwahn. Über eine hysterische, manipulierbare Gesellschaft, in der kein Platz für Freiheit und Freidenker ist. Jurowski betont, dass Huxley die Diktaturen der Welt in einem radikalen Umbruch sah. Die früheren basierten auf Angst und Blut. Die Diktaturen der Zukunft bräuchten das alles nicht, denn sie würden ihre Technologien zur Lenkung des Massenbewusstseins haben, "sei es durch die Medien, sei es durch biologische Substanzen."
Zu Huxley Lebzeiten gab es schon das Fernsehen, das erstmal vergleichsweise harmlos daherkam, wie Jurowski schildert. Aber das "steigerte sich nach seinem Tod in den 70er und 80er Jahren zu einer sehr potenten Waffe der Lenkung der Massen. Und dann kam das Internet. Und heute leben wir in einer Zeit, wo wir in Wirklichkeit keine Waffen bräuchten. Weil man die Menschen auch so lenken kann, wie man will. Dazu braucht man nur eine gewisse Kenntnis der Massenmedien und ihrer Infrastrukturen." Eine Dystopie Huxleys, die – leider – durchaus prophetische Qualität hatte. Aber genau deshalb ist Pendereckis Oper für Jurowski so heutig und relevant.
BR-KLASSIK überträgt die Premiere von "Die Teufel von Loudun" live aus der Bayerischen Staatsoper am Montag, 27. Juni 2022, ab 18:30 Uhr. Im Radio und im Video-Livestream. Sowohl die Radio- als auch die Videoübertragung sind drei Wochen nach Ausstrahlung unter br-klassik.de zum Anhören und -schauen verfügbar.
Sendung: "Allegro" am 27. Juni 2022, ab 6:05 Uhr, auf BR-KLASSIK