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Wilfried Hillers "Momo" am Münchner Gärtnerplatztheater "Nicht von den grauen Herren anstecken lassen"

Michael Endes Buch "Momo" ist Kult. Seine Geschichte rund um die grauen Zeit-Diebe hat ganze Generationen geprägt. Jetzt gibt es "Momo" als Oper - komponiert von Wilfried Hiller. Komponist und Autor haben lange eng zusammenarbeitet, sie waren befreundet. Die wichtigste Voraussetzung für die Entstehung der Oper "Momo", wie Wilfried Hiller im BR-KLASSIK-Interview erzählt.

Bildquelle: © Christian POGO Zach

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Wilfried Hiller mit Michael Endes legendärem Buch "Momo" musikalisch auseinandergesetzt hat. Es existiert bereits eine Schauspielmusik zu diesem Thema für das Düsseldorfer Marionettentheater aus dem Jahr 2002. Und es gibt eine gemeinsam mit seinem Sohn verfasste Theaterkomposition für das Garmischer Amphitheater im Michael-Ende-Kurpark von 2013. Nun aber hat Hiller zum "Momo"-Stoff eine echte Oper komponiert, die am Münchner Gärtnerplatztheater erstmals über die Bühne gehen wird.

"Momo" – die Operninszenierung am Gärtnerplatztheater in Bildern

"Momo" ist aktueller denn je

Wilfried Hiller bei den Proben zur Oper "Momo" | Bildquelle: Christian POGO Zach Auch wenn "Momo" vor nunmehr 45 Jahren veröffentlicht wurde, ist die Aussage des Buchs für Wilfried Hiller unverändert gültig: "Anfang der 70er-Jahre, als 'Momo' entstand, war es noch nicht so schlimm, wie es heute ist. Die grauen Herren, die uns die Zeit stehlen, waren noch nicht so präsent, aber heutzutage ist das Stück aktueller denn je. Jetzt macht es einem geradezu Angst, dass es überall so ist. Ich habe neulich gesagt: Moment mal, wir sollten uns nicht von den grauen Herren anstecken lassen, sondern wir benötigen auch mal Zeit für Ruhe. Das finde ich ganz wichtig in dem Stück."

Die bestechende Zeitlosigkeit des Stoffes soll sich auf der Bühne des Gärtnerplatztheaters widerspiegeln. Darum spielt die Oper weder in der Vergangenheit, noch im Hier-und-Jetzt, erklärt Dramaturg Michael Alexander Rinz. Auf Handys und Laptops wurde deshalb verzichtet. Dafür gibt es ein dem Zeitgeist angepasstes Symbol, "eine Art multimediale Armbanduhr, die den Menschen von den grauen Herren überreicht wird", erzählt Rinz.

Musik im Sinne des Autors

In der Oper "Momo" singt Momo nicht, sondern hört vor allem zu. | Bildquelle: Christian POGO Zach Aber auch ein Komponist kann sich nicht ganz frei machen von Zeitzwängen, gibt Wilfried Hiller zu. Zwei Jahre hat Hiller für die Komposition der Oper "Momo" benötigt – runde 100 Minuten Musik, die ohne strikte Selbstdisziplin nicht möglich gewesen wären. Und nicht zuletzt Musik, die ohne die Hauptfigur Momo nicht möglich wäre – Momo, die, so Hiller, "nur ab und zu einen Satz sagt, aber durch ihre Präsenz und ihre Art die Menschen öffnet. Sie löst durch ihr Sprechen, ihr Fragen und Zuhören Musik aus den Menschen heraus."

Dass die Figur Momo in der Oper von einer Schauspielerin verkörpert wird, die bewusst nicht singt, ist dem Prinzip geschuldet, das die ganze Inszenierung geformt hat: Hillers Verbundenheit und sein persönlicher Kontakt zu Michael Ende. Auch die schlechte Erfahrung Endes mit der ersten Momo-Oper von 1978 und einer singenden Momo, die - nach Ansicht des Autors - sich viel zu viel exponierte und viel zu wenig zuhörte.

Komponist? Um Gottes willen, das hat mir gerade noch gefehlt.
Michael Ende zu Wilfried Hiller

Zusammenarbeit mit Michael Ende

Die Figur "Hora" hat Hiller für den kompletten Chor komponiert - und sie tritt als Tänzer auf. | Bildquelle: Christian POGO Zach Dabei war es für Wilfried Hiller gar nicht einfach, den Kinderbuchautoren kennen zu lernen. "Was wollen Sie", waren Endes erste Worte, als Hiller ihn zum ersten Mal anrief. "Ich bin Komponist" - "Um Gottes willen, das hat mir gerade noch gefehlt." Als Ende jedoch Hillers Musik erst einmal gehört hatte, war er begeistert: "Wir werden bis zu meinem Tod zusammenarbeiten!" Ende hatte schnell gemerkt, dass es sich bei Hiller nicht um einen "normalen" zeitgenössischen Komponisten handelt – gerade weil er von Beginn an seinen eigenen Weg gegangen ist. Schon als sie sich kennenlernten, drückte Ende ihm das Buch "Momo" in die Hände, mit den Worten: "Vielleicht ist das ja mal was für Sie."

Mit der Oper "Momo" versucht Hiller, den Ideen und Wünschen Endes so nah wie möglich zu kommen. Und er hat etliche Melodien, die der Autor selbst komponiert hat, in dieses Werk miteinfließen lassen. "Michael Ende hat keine Noten lesen können", erzählt Wilfried Hiller. "Er hat mir seine Lieder vorgesungen - und ich habe mitgeschrieben."

Anregung zum Nachdenken

Auf die Frage, was denn seine "Momo"-Oper vielleicht beim Publikum bewegen könnte, antwortet Hiller: "Dass die Menschen ein bisschen über sich nachdenken. Vielleicht können wir ja diejenigen, die ganz schnell mit dem letzten Zug ins Theater kommen, so erreichen, dass sie hinterher ganz ruhig nach Hause gehen und sich vielleicht ein bisschen anders eintakten."

Michael Ende hat immer von sich behauptet, eigentlich kein Kinderbuchautor zu sein. Er verstand sich als Geschichtenerzähler. Und die Oper will das gleiche, was auch sein berühmtes Buch sein wollte: eine Geschichte mit einem philosophischen Kern für jüngere und ältere Zuschauer.

Mehr zur Oper "Momo"

"Momo"
Musiktheater in 18 Bildern
von Wilfried Hiller und Wolfgang Adenberg
Nach dem gleichnamigen Roman von Michael Ende
Auftragswerk des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Uraufführung am 16. Dezember 2018

Regie: Nicole Claudia Weber
Chor und Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Leitung: Michael Brandstätter

Informationen zu Terminen und Vorverkauf finden Sie auf der Homepage des Theaters.

Sendung: "Leporello" am 13. Dezember 2018 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK