Open-Air-Kino auf dem Münchner Max-Joseph-Platz. Aus dem Nationaltheater wurde Samstagabend die Oper "Das schlaue Füchslein" von Leoš Janáček auf den Vorplatz übertragen. Mit den bildgewaltigen Szenen und der einfach zu verstehenden Rahmenhandlung ist die Oper für Groß und Klein verständlich. Und der Abend könnte schöner nicht sein: Der Platz vor dem Nationaltheater ist bereits im Schatten, die Temperaturen warm, ein laues Lüftchen, das weht: Petrus in bester Festspiellaune. Über 10.000 Menschen genossen einen prächtigen Opernabend.
Bildquelle: BR / Tanja Grode
Bayerische Staatsoper
So war "Oper für alle" 2022
"Ich komme jedes Jahr hierher, wenn es geht" sagt eine Besucherin und freut sich auf einen Abend mit dem tschechischen Komponisten Leoš Janáček in dessen Muttersprache. Die deutschen Übertitel sind auch auf der 60 Quadratmeter großen Leinwand gut zu lesen. Die Übertragung klappt bis auf drei Miniaussetzer ohne Probleme. Erstmals ist wieder richtig Oper für alle – ohne Bestuhlung wie, coronakompatibel im letzten Sommer, mittendrin vor der Oper. "Es ist unbeschreiblich, dass die ganze Stadt aus allen Klassen zusammen kommt und einen netten Abend verbringt und Oper, sonst hochpreisig, jedem zur Verfügung gestellt wird", freut sich eine junge Frau. Eine andere beschreibt das Lebensgefühl in der Stadt, diese Mischung aus Freude und Gemütlichkeit.
Hier findet jede(r) einen Sitzplatz bei Oper für alle in München. | Bildquelle: Winfried Hösl
Dennoch ist bei Oper für alle weniger los als vor der Pandemie. Die Musikfans, die da sind, lassen sich ohne Abstand nieder. Picknick-Decken reihen sich an Isolmatten, jeder hat freie Sicht auf die Leinwand. Der Platz füllt sich nie ganz, vielleicht auch weil Janáček nicht so bekannt ist wie Verdi und Mozart. Dazu ist in der Innenstadt von München an diesem Samstagabend noch einiges anderes geboten: Tausende sind beispielsweise beim CSD-Konzert am nahe gelegenen Marienplatz – auch von dort kommen Besucher mit Regenbogenfahnen vor die Oper.
Moderatorin Nina Eichinger und Staatsintendant Serge Dorny | Bildquelle: Winfried Hösl
Auch auf dem Nationaltheater weht die Regenbogenfahne , ein Video-Einspieler vor der Vorstellungsübertragung dokumentiert den Besuch von mehreren Drag-Queens in der Königslose während einer Vorstellung: Die Oper will alle einladen. Das betont der neue Intendant Serge Dorny auch nochmal bei seiner Ansprache live auf den Stufen des Nationaltheaters. An diesem Samstagabend passiert das, was Dorny sich gewünscht hat: Der Platz wird zu einer Piazza – jung, alt, straight und queer, Studierende und Touristen kommen zusammen, in all ihrer Diversität. Oper beschäftige sich ja auch mit Unterschieden, sagt Dorny – und es beglücke ihn, das auch im Publikum zu sehen. "Das bedeutet auch, dass Oper eine Zukunft hat und keine Kunstform der Vergangenheit ist und an der Bayerischen Staatsoper wollen wir offen sein für alle: Also alle sind immer herzlich willkommen", so der Intendant.
Oper beschäftigt sich ja auch mit Unterschieden und das beglückt mich, das auch im Publikum zu sehen.
Opulente Festspiel-Picknicks wie früher gibt es aber nicht mehr – man gibt sich bescheiden: Denn Glasflaschen, nicht mal Thermoskannen dürfen mit an den Platz. Die Ordner schauen in Rucksäcke und Kühltaschen, manche bemängeln sie als zu groß. Mancher muss seine Weinflasche vor der Absperrung lassen, oder eben in eine stillose PET-Falsche umfüllen. Vorbei sind die Zeiten, als hier Menschen mit Weinkühler auf Campingstühlen lauschten.
Zeigten sich am Ende dem Publikum auf dem Max-Joseph-Platz: Die Mitwirkenden der Oper "Das schlaue Füchslein". | Bildquelle: Winfried Hösl
Klappstühle haben nämlich keine Chance auf dem Platz, der mit seinem unregelmäßigen Steinpflaster nicht so gemütlich ist wie der grüne Hügel in Bayreuth. Schauspielerin Nina Eichinger, die durch den Abend führt, hat da einen Tipp: Immer dicke Unterlagen mitnehmen und am besten hinlegen mit Kopfstütze. Und dann kann man auch die ganze Szenerie als Kulisse begreifen: die Leinwand, dahinter die Münchner Residenz, das Residenztheater sowie das Nationaltheater. Darüber der blaue Himmel, der sich immer mehr nachtblau färbt. Und am Ende ist man irgendwie selbst Teil einer Inszenierung. Eintauchen in die Musik, sich hingeben dem Augenblick, an dem die Welt kurz gut ist, den Blick über den Platz schweifen lassen: Oper für alle war auch gut für die Seele. Und der Junge, der hier noch seinen Opa gesucht hat, ist mitten auf dem Platz eingeschlafen.
Sendung: "Allegro" am 18. Juli 2022, um 6:05 Uhr, auf BR-KLASSIK
Kommentare (3)
Mittwoch, 20.Juli, 08:18 Uhr
dmh@aldente.biz
Erinnerungen an das 'schlaue Füchslein' in Heidelberg...
Mittwoch, 20.Juli, 08:15 Uhr
david@aldente.biz
Das schlaue Füchslein
Nice memories....
Dienstag, 19.Juli, 21:38 Uhr
Euphrosine
Quietsch!
Oh mei: Drag queens! Mehrere! In der Königsloge! Mei ,wie herzig! Was vor einem Viertel (oder gar einem halben?) Jahrhundert wirklich ganz schön kühn gewesen wäre - mutet es im Deutschland 2022 nicht wie der urälteste Käsekram an? Ist die Münchner Oper inzwischen so angestaubt, dass sie tapfer die Kämpfe von vorgestern ausficht? Und so angepasst, dass nur noch das politically absolutely Correcte und vor allem: Angesagte stattfindet?
(Falls es jemand nicht wissen sollte: Oper für alle hat schon der VorVorgänger (!) von Herrn Dorny ins Leben gerufen. Und mein Kommentar wendet sich dagegen bestimmt nicht, und auch, dass es beibehalten wird, und gar einen Artikel wert ist, und das gewürdigt wird, freut mich durchaus. So nett letzterer aber im Prinzip auch geschrieben ist, klingt er doch ein bisschen sehr wie von der PR-Abteilung der Oper und wenig vertraut mit dieser Institution)