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Salzburger Festspiele 2022 Hölle, Fegefeuer und Himmel als Leitmotive

In den beiden Pandemiesommern 2020 und 2021 haben sich die Salzburger Festspiele nicht unterkriegen lassen. Mit ausgefeilten Hygienekonzepten haben sie möglich gemacht, was irgendwie möglich war. Und doch sieht es heuer noch einmal anders aus: Zwar sind fast alle Coronabeschränkungen gefallen – aber Putins Krieg liegt schwer über diesem Salzburger Sommer, der auch von russischem Geld finanziert wird.

Salzburger Festspiele | Bildquelle: picture alliance/APA/picturedesk.com

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Salzburger Festspiele 2022

Hölle, Fegefeuer und Paradies als Leitmotive

Schon Wochen und Monate vor der Eröffnung wurden die Salzburger Festspiele wegen des Ukraine-Kriegs und fragwürdiger Sponsoren unter die Lupe genommen. So wurde etwa im April bekannt, dass das Orchester MusicAeterna um den Stardirigenten Teodor Currentzis von einer russischen Bank finanziert wird, die auf der Sanktionsliste steht. Dazu haben sich die Salzburger Festspiele erst kürzlich von der Solway Group getrennt. Dem Schweizer Bergbaukonzern wird vorgeworfen, mit seinem Nickel-Abbau in einer Mine in Guatemala weder Menschenrechte noch Umweltauflagen zu beachten. Eine zynische Note bekommt die Geschichte dadurch, dass in Guatemala vor allem Kinder gesundheitlich gefährdet werden: Solway hat bisher das Kinder- und Jugendprogramm der Salzburger Festspiele finanziell unterstützt. Auf die 150.000 Euro wird man fortan verzichten.

Kommentar zu "sauberer" Kunst

Warum "saubere" Kunst eine Utopie ist - einen Kommentar von Peter Jungblut zum Thema fragwürdiges Sponsoring finden Sie HIER.

Dantes "Göttliche Komödie" beherrscht den Salzburger Festspielsommer

Wie ein einsamer heiterer Solitär macht sich (als Wiederaufnahme von Pfingsten) Rolando Villazons herrlich überdrehte Inszenierung von Rossinis "Barbier von Sevilla" mit Cecilia Bartoli im Festspielprogramm aus. Die anderen großen Opernproduktionen dieses Sommers berichten von unerfüllten Hoffnungen, von den letzten Dingen und vom Ende der Welt. Hölle, Fegefeuer und Paradies; Verzweiflung, Hoffnung und Glückseligkeit – Dantes "Göttliche Komödie" beherrscht diesen Salzburger Festspielsommer.

Mit dabei: Regisseur Romeo Castellucci & Dirigent Teodor Currentzis

Woher kommt das Böse in der Welt? Und wohin geht es? Diese Frage hat Carl Orff in seinem letzten Bühnenwerk umgetrieben: "De temporum fine comoedia", "Das Spiel vom Ende der Zeiten". Regisseur Romeo Castellucci bringt es in schon bewährtem Team Work mit Dirigent Teodor Currentzis auf die Bühne – zusammen mit Bela Bartoks einziger Oper "Herzog Blaubarts Burg". Jüngstes Gericht und abgründige Seelenschau. Eine Materialschlacht mit aus dem Schnürboden fallenden Autos wie beim Salzburger "Don Giovanni" 2021 ist nicht zu erwarten – oder vielleicht doch?

Barrie Kosky inszeniert "Katja Kabanova"

Unglücklich ist sie, ganz allein auf der Welt wähnt sie sich – und dabei hatte sie doch eine unbeschwerte Kindheit. Leos Janaceks Oper "Katja Kabanova" erzählt von Gewalt und Unterdrückung – und von trügerischen Erinnerungen einer jungen Frau. Barrie Kosky inszeniert: "Wie die Wolga, die die ganze Oper und das Dorf am Flussufer durchströmt, so sind auch ihre Gefühle wie Wasser. Manchmal gleiten sie ihr einfach durch die Finger."

Ihre Gefühle sind wie Wasser.
Barrie Kosky über Katja Kabanova

Jakub Hrusa dirigiert die Wiener Philharmoniker. Die Sopranistin Corinne Winters gibt als Katja ihr Salzburg-Debüt. Sie wird leiden, hoffen, verzweifeln und versuchen, diesem emotionalen Vulkan gerecht zu werden. Die Gesangslinie ändere sich von Takt zu Takt, erzählt die junge amerikanische Sängerin. Nach einem großen romantischen Bogen breche sie plötzlich ab, stockend von Katjas Verwirrun. "Und so geht das durch 90 pausenlose Minuten. Die ganze Zeit bin ich auf der Bühne in Bewegung, grabe mich in diesen komplexen Charakter hinein. Die größte Herausforderung ist, mit vollem Herzen dabei zu sein und gleichzeitig meine Stimme ruhig zu halten", so Winters. 

Joana Mallwitz dirigiert Mozarts "Zauberflöte"

Salzburg – das ist in diesem Sommer auch der Ort der zweiten Chance. Zwei doch eher verunglückte Produktionen vergangener Jahre werden neu aufgelegt: die "Aida" der iranischen Regisseurin Shirin Neshat und Mozarts "Zauberflöte", inszeniert von der Amerikanerin Lydia Steier, die im Großen Festspielhaus keinen Zauber entfalten konnte. Sie wandert jetzt ins Haus für Mozart und spielt nicht mehr im Zirkus. Musikalisch richten soll die Sache ein Salzburger Shooting-Star der jüngsten Zeit: Dirigentin Joana Mallwitz. Sie will mit einem "frischen, ungefilterten Blick" auf das Werk schauen, wie sie sagt: "Mit diesem Blick meine ich jetzt überhaupt nicht, das Stück gegen den Strich zu bürsten. Ich meine damit, noch einmal ganz genau hinzugucken, was da eigentlich wirklich in den Noten steht. Und am Ende findet man die Antworten nirgendwo sonst."

Mit diesem Blick meine ich jetzt überhaupt nicht, das Stück gegen den Strich zu bürsten.
Dirigentin Joana Mallwitz schaut sich das Werk mit einem frischen, ungefilterten Blick an

Das Kinder-Festspiel-Projekt "WUT"

"WUT" heißt eines der diesjährigen Kinder-Festspiel-Projekte. Und Regisseur Sebastian Bauer möchte die Wut gern vom dunklen Ende der Emotionsskala woanders hinschieben – sein Musiktheaterstück sei ein Plädoyer für dieses oft unerwünschte Gefühl. Kinder machten oft die Erfahrung, dass ihr Wütend-Sein verstöre und zu einem Ausschluss führe, erzählt Regisseur Bauer. "Diesem Aspekt wollen wir mit dem Stück ein bisschen Raum geben und sagen: lasst es erstmal raus. Natürlich gibt’s Grenzen – aber in diesem Sinn ist der Satz ‚Plädoyer für die Wut‘ zu verstehen."

Salzburger Festspiele - die Opernpremieren und konzertante Aufführungen im Überblick

  • Dienstag, 26. Juli 2022: "Herzog Blaubarts Burg" von Béla Bartók & "De Temporum finde comoedia" von Carf Orff (Neuinszenierung, Felsenreitschule)
  • Mittwoch, 27. Juli 2022: "Jakob Lenz" von Wolfgang Rihm (konzertante Aufführung, Stiftung Mozarteum)
  • Freitag, 29. Juli 2022: "Il trittico" von Giacomo Puccini (Neuinszenierung, Großes Festspielhaus)
  • Samstag, 30. Juli 2022: "Die Zauberflöte" von Wolfgang Amadeus Mozart (Neueinstudierung, Haus für Mozart)
  • Donnerstag, 4. August 2022: "Il barbiere di Siviglia" von Gioachino Rossini (Wiederaufnahme, Haus für Mozart)
  • Sonntag, 7. August 2022: "Káťa Kabanová" von Leoš Janáček (Neuinszenierung, Felsenreitschule)
  • Freitag, 12. August 2022: "Aida" von Giuseppe Verdi (Neueinstudierung, Großes Festspielhaus)
  • Donnerstag, 25. August 2022: "Lucia di Lammermoor" von Gaetano Donizetti (konzertante Aufführung, Großes Festspielhaus)

Selten zu sehen: Puccinis Opernzyklus "Trittico"

Für kollektives Hyperventilieren bei Publikum und Kritik sorgt schon jetzt Giacomo Puccinis "Trittico": selten gespielt, noch seltener an einem Abend zu sehen – und so gut wie nie mit ein- und derselben Sängerin in allen drei großen Frauenpartien. Asmik Grigorian macht's möglich – und sie macht's nur, weil sie Franz Welser-Möst und Christof Loy an ihrer Seite weiß. Der eine ein Zauberer am Pult – und der andere ihr emotionaler Zwilling, wie sie sagt. Dass Puccini mit diesen drei Opern drei Episoden aus Dantes "Göttlicher Komödie" vertonen wollte, ist ihr ziemlich egal. Ihre Rollen analysiert sie ungern. Und sie könne sich nur Gedanken über sich selbst machen und nicht über eine Frau, die Giorgetta oder Lauretta heiße, so die Sängerin. "In diesem Augenblick bin ich Giorgetta oder Lauretta. Und ich weiß, dass Giorgettas größtes Problem nicht darin besteht, dass sie ein besseres Leben haben will. Ihr größtes Problem ist, dass sie ihr Kind verloren hat. Und warum Lauretta so anders ist als ihre gesamte Familie – das müssen Sie bitte Christof Loy, meinen Regisseur, fragen."

Ich denke nie darüber nach, welchen Charakter meine Rollen haben könnten.
Sängerin Asmik Griogorian

Start der Salzburger Festspiele

Die Salzburger Festspiele beginnen musikalisch mit einem Konzert des Gustav Mahler Jugendorchesters unter der Leitung von Teodor Currentzis. Auf dem Programm steht die Sinfonie Nr. 13 von Dmitrij Schostakowitsch – am Dienstag um 19 Uhr im Großen Festspielhaus. Erste Opernpremiere ist der Bartok/Orff-Abend am 26. Juli. In einem fantastisch besetzten Kammerkonzertzyklus können Sie in die spröde Welt des Bela Bartok eintauchen. Christian Gerhaher, Matthias Goerne, Jonas Kaufmann und Diana Damrau geben Liederabende; das Klangforum Wien feiert Wolfgang Rihm zum 70. Geburtstag. Und das ist natürlich noch längst nicht alles.

Sendung: "Allegro" am 18. Juli 2022, um 6:05 Uhr, auf BR-KLASSIK

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