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Protestrede von Simon Rattle "Vandalismus" bei der BBC

Ein langer, existenzieller Kampf liege vor ihnen - Sir Simon Rattle, bald Chef des Symphonieorchesters des BR, nahm bei einem Konzert in London Stellung zur englischen Kulturpolitik. Er sieht die Klassik als Kunstform bedroht.

Sir Simon Rattle | Bildquelle: Astrid Ackermann

Bildquelle: Astrid Ackermann

Die BBC hat ein Problem. Sie muss sparen. 400 Millionen Pfund bis 2027. Allein der Klassikbereich schlägt aktuell jährlich mit 25 Millionen zu Buche. Deshalb sollen die BBC Singers abgeschafft werden sowie die Spielstärke der drei englischen BBC-Orchester um 20 Prozent reduziert werden.

Auch der Arts Council England, der wie die BBC zu einem der größten öffentlichen Förderer der klassischen Musik gehört, plant Kürzungen. In einem Interview mit der britischen Zeitung "The Times" warf Dirigent Sir Simon Rattle, designierter Chefdirigent des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, den Entscheidern vor, dass sie keine Ahnung hätten, wie das klassische Musikgeschäft funktioniere. Am Wochenende nun nahm Rattle, der noch bis Ende dieser Saison Chefdirigent des London Symphony Orchestra ist, erneut Stellung zu den Plänen: vor einem Konzert mit den BBC Singers in der Barbican Albert Hall.

We are facing a long-term fight for existence.
Sir Simon Rattle

"Ein lang andauernder, existenziellen Kampf steht uns bevor“, diese Worte von Rattle hallten durch die Barbican Hall in London, in der Mahlers 7. Symphonie mit den BBC Singers auf dem Programm stand. Rattle betonte in seiner Ansprache zudem , jede:r hier wisse um die enormen Herausforderungen, die die Welt und Großbritannien im Besonderen zu meistern hätten, und er wisse auch, dass es Menschen gäbe, die am Existenzminimum um ihr Überleben kämpften. Doch dies sei nicht höherer Gewalt geschuldet, sondern politischen Entscheidungen

Peter Hall als Vorbild

In seiner Rede, die die britische Zeitung „The Guardian“ abgedruckt hat, bezog sich Rattle anfangs auf den verstorbenen Regisseur Sir Peter Hall, der in der Thatcher-Area die britische Regierung laut kritisiert hatte für deren Einsparungen. Damals habe der 25 Jahre jüngere Simon Rattle den Regisseur gefragt, wie sich das anfühle, frei übersetzt, der "Buhmann" zu sein: Seine Antwort damals: Nicht gut, aber irgendjemand müsse es ja tun. Dann habe er ihn angegrinst und gemeint: “Guess what, it will be your turn next."

"Meine Hoffnung bleibt: Die Klassische Musik wird weiter erblühen"

Mit dieser charmanten Einführung begann die Brandrede. Rattle sprach von den verheerenden letzten Monaten, in denen Menschen um ihre Existenz fürchteten, sprach von einem „Vandalismus“, den die BBC vorhabe, wobei die Abschaffung der BBC Singers erst die Spitze des Eisbergs sei. Er hoffe, die klassische Musik werde weiterhin blühen und jede:r Musiker:in sei bereit, „mehr“ mit „weniger“ zu machen. “Wir würden sogar helfen, wenn man uns fragen würde. Aber jeder, der Ahnung von einem Orchester hat, muss wissen: wenn personelle Einsparungen so einschneidend sind, dass jeder 5. gehen muss, dann ist es doch kein Orchester mehr!“

Der Dirigent kritisiert klar und kämpferisch

„We are in a fight, and we need to ensure that classical music remains part of the beating heart of our country, of our country and of our culture", so Rattle wörtlich, "Wir befinden uns in einem Kampf, und wir müssen sicher stellen, dass Klassische Musik erhalten bleibt, als Teil des schlagenden Herzens unseres Landes und unserer Kultur!" Mit diesem Plädoyer für die Kunst beendete Sir Simon Rattle seine Ansprache, bei der er übrigens anfangs betonte, dass er die Musik immer noch für die eloquenteste Ausrducksform überhaupt halte. Im Vorfeld zum Konzert sagte Rattle in der "Times", es sei nicht die Zeit, diplomatisch zu sein: "Wir müssen die Menschen daran erinnern, dass eine ganze Kunstform bedroht ist."

Es ist nicht die Zeit, diplomatisch zu sein.
Sir Simon Rattle

Einsparungen der BBC liegen vorerst auf Eis

In den letzten Wochen hat die BBC ihre geplanten Kürzungen für die BBC-Sänger und -Orchester verschoben, und der Arts Council England hat eine vorübergehende Finanzierung für die English National Opera angeboten. Es sei aber offensichtlich, dass die Kürzungen "alle wieder auf dem Tisch liegen werden, sobald die Proms vorbei sind", so Rattle. "Sie waren nur besorgt über Proteste und Demonstrationen."

Sendung: "Leporello" am 21. April 2023, um 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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