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Tiroler Winter-Festspiele Erl Raritäten statt Flaniermeile

Die Zeit zwischen Weihnachten und Dreikönig ist nicht gerade die klassische Festspiel-Saison: Auch im Passionsspielort Erl fremdelt das Publikum teilweise mit dem Opern-Spielplan. Liegt das an der Stimmungslage oder der wenig glamourösen Grenzregion?

Szene aus der Oper "Don Pasquale" bei den Tiroler Winter-Festspielen Erl | Bildquelle: Xiomara Bender

Bildquelle: Xiomara Bender

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Die Lücken im luxuriösen Zuschauerraum sind unübersehbar: Die Tiroler Festspiele in Erl bei Kufstein haben es derzeit schwer, die Reihen zu füllen, wie viele andere Theater auch. Dabei steht ein kostenloses Parkhaus zur Verfügung, ein Shuttle-Service und ein topmodernes Haus mit bestem Blick auf die Bühne von allen Plätzen und einer hervorragenden Akustik.

Intendant Bernd Loebe setzt in Erl auf Entdeckungen

Szene aus der Oper "Don Pasquale" bei den Tiroler Winter-Festspielen Erl | Bildquelle: Xiomara Bender Szene aus der Oper "Don Pasquale" bei den Tioler Winter-Festspielen Erl | Bildquelle: Xiomara Bender Trotzdem ist der Andrang mäßig, denn Intendant Bernd Loebe, im Hauptberuf Chef der Frankfurter Oper, setzt konsequent auf Entdeckungen, also Stücke, die an der Kasse keine Selbstläufer sind, schon gar nicht hier, in der Grenzregion an der Inntal-Autobahn: "Es ist ein gefährlicher Fleck hier: 75 Kilometer von München, Salzburg und Innsbruck weg, in der Pampa, hätte ich fast gesagt. Man kann hier mittags nicht flanieren und Handtaschen kaufen wie in Salzburg. Man muss sich hier schon auf die wesentlichen Dinge konzentrieren. Man kann natürlich nach Kufstein oder Rosenheim fahren, wenn man das braucht. Also in Erl etwas durchzusetzen, was anderswo selbstverständlich ist, ist eine Herausforderung, weil wir von der Lage des Orts nicht verwöhnt sind."

Opern von Gaetano Donizetti und Saverio Mercadante

In dieser Saison stehen neben den gut besuchten Konzerten Gaetano Donizettis noch einigermaßen populäre Belcanto-Komödie "Don Pasquale" und eine Ausgrabung auf dem Spielplan: Saverio Mercadantes fast 200 Jahre altes Eifersuchtsdrama "Francesca da Rimini". Die vergessene Oper wurde erst vor wenigen Jahren in Italien uraufgeführt und erweist sich in Erl in der Regie von Hans Walter Richter als durchaus unterhaltsame Schauergeschichte, wenngleich sie mit dreieinhalb Stunden deutlich zu lang geraten ist und der Chor schon mal bedrohlich wackelt.

Das Publikum fremdelt mit den Tiroler Winter-Festspielen Erl

Dennoch: An der Musik kann es nicht liegen, dass das Publikum fremdelt, an der Ausstattung von Johannes Leiacker auch nicht, immerhin zitiert er ein berühmtes Bild des viel bewunderten Romantikers Caspar David Friedrich - das Portal einer gotischen Kirchenruine in der Abenddämmerung. Nein, es ist wohl eher so, dass die Oper generell ein Akzeptanzproblem hat, wenn auch nicht überall: "Wir setzen bei den Opern ja auf Raritäten, weil wir uns ein Alleinstellungsmerkmal erarbeiten wollen. Und das stimmt schon, dass das etwas mühsamer ist: Da erwartet man sich vielleicht ein zu siebzig Prozent gefülltes Haus, damit können wir leider noch nicht dienen. Es hängt sicherlich auch mit den äußeren Umständen zusammen, der Energiekostenproblematik, Corona, die Leute haben sich daran gewöhnt, dass sie abends auch noch was Anderes unternehmen können."

Intendant Loebe: "Ich bin ein sturer Kopf"

Szene aus der Oper "Don Pasquale" bei den Tiroler Winter-Festspielen Erl | Bildquelle: Xiomara Bender Szene aus der Oper "Don Pasquale" bei den Tioler Winter-Festspielen Erl | Bildquelle: Xiomara Bender Dafür spricht, dass die Gastronomie gerade förmlich überrannt wird mit Reservierungen. Bernd Loebe hat mit gut sieben Millionen Euro ein eher schmales Jahresbudget, insofern müsste er sehr an mehr Einnahmen an der Kasse interessiert sein, um den Haushalt aufzubessern. Stattdessen kann er sich vorstellen, die bisherigen Ticketpreise zwischen 30 und 150 Euro erschwinglicher zu machen, wohl auch um jüngere Zuschauer anzulocken. An seinem Programm dagegen zweifelt Loebe nicht, trotz der Zuschauer-Zurückhaltung nach zwei Jahren Corona-Einschränkungen: "Ich bin ein sturer Kopf, ich weiß nicht, ob ich ganz anders geplant hätte, muss ich gestehen. Ich denke immer, dass man schon in der Lage sein muss, sein Publikum von etwas zu überzeugen, eine Leidenschaft zu entfachen. Dazu gehört aber vielleicht auch mehr Kleingeld in der Marketing-Abteilung, um dann eine größere Sicherheit zu haben, mehr Menschen zu erreichen."

Der Winter-Tourismus ist der Oper keine Hilfe

Der Winter-Tourismus rund um Kufstein ist wohl keine große Hilfe: Traurige Schneereste zeugen von der Krise des Skizirkus, und wer tagsüber auf der Piste in Gletscher-Regionen unterwegs ist, neigt wohl selten dazu, abends in die Oper zu gehen. Scheint so, als müssten sich die Festspiele nichts weniger als neu erfinden, und so manches Stadttheater auch, wie leere Sitz-Reihen zeigen. Die Zeiten werden abenteuerlicher in jeder Hinsicht.

Sendung: "Allegro" am 5. Januar 2023, ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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