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"Tosca" Premiere auf Gut Immling Mörderischer Krimi und grausamer Realismus

Mit Puccinis "Tosca" eröffnete das diesjährige Opernfestival Gut Immling. Regisseur Karsten Bohn holte das Stück aus der napoleonischen Zeit in die 1940er Jahre und erzählt auf dem Hintergrund des italienischen Faschismus die Geschichte einer Frau, die plötzlich in die Fänge der großen Politik gerät.

Acht anthrazitfarbene rechteckige Säulen beherrschen im Ersten Akt von Puccinis "Tosca" die breite und nicht sehr tiefe Immlinger Bühne. Mit Hilfe der Lichtregie verwandeln sie sich, wie auf einem Vexierbild, auf faszinierende Weise in dunkle Durchgänge. Wenig Mittel, große Wirkung.

In einer Ecke steht die unvermeidliche Staffelei des Malers Cavaradossi und von der Decke hängt, wie ein ruhender Ventilator, ein flaches Holzkreuz. Wir befinden uns schließlich in einer Kirche. Doch die Religion spielt hier keine Rolle mehr. Hier werden andere Dinge verhandelt. Hier wird Politik gemacht und hier wanzt sich Polizeichef Scarpia auf widerwärtige Weise an die schöne Sängerin Tosca heran. Dass ihn der beeindruckend homogene Immlinger Festspielchor beim "Te Deum" gnadenlos zudeckt, geschieht dem Bösewicht ganz recht, aber schade ist es trotzdem um die edle und so gar nicht gefährliche Stimme von Vladimir Chmelo. Dass der Bariton trotz dunklem Ledermantel, wie ihn außerdem seine Schergen tragen, auch darstellerisch nicht das von Regisseur Karsten Bohn gewünschte Faschisten-Scheusal geben mag, nimmt den großen Szenen mit Tosca einiges an Schärfe und Schwärze.

Perfekte Gesten, wenig Gefühl

Die junge Russin Elena Stikhina begeistert mit einem eindrucksvollen und umjubelten Immlinger Debüt. Ein technisch perfekt durchgebildeter kräftiger Sopran mit leuchtender Höhe. Auch sie würde man sich darstellerisch ein wenig prägnanter, intensiver, intimer wünschen. Dass ihr geliebter Mario Cavaradossi, gesungen von Mario Zhang von Scarpias Spitzeln gefoltert wird, tut ihr zwar leid, scheint sie allerdings nicht bis ins Mark zu treffen. Den Mord an Scarpia erledigt sie ein wenig geschäftsmäßig.

Da fehlt das große Gefühl, das Dirigentin Cornelia von Kerssenbrock mit den Münchner Symphonikern souverän und klangschön auf die Bühne bringt. Toscas Auseinandersetzung mit dem Polizeichef zeigt keine verzweifelte Frau, sondern ist ein Gefecht auf Augenhöhe und besticht durch perfekt gesetzte Gesten, Blicke und Bewegungen.

19. Opernfestival Gut Immling

Vom 19. Juni bis 16. August 2015

Die nächsten Vorstellungstermine:
Samstag, 27. Juni 2015 um 19:00 Uhr
Freitag, 03. Juli 2015 um 19:30 Uhr
Freitag, 17. Juli 2015 um 19:30 Uhr
Freitag, 24. Juli 2015 um 19:30 Uhr

Statt im Jahr 1800 spielt diese Immlinger "Tosca" in den 1940er Jahren. Die Kostüme geben eine zarte Andeutung. Aber sonst könnte auch jeder andere Polizeistaat Pate gestanden haben. Zu Beginn des Zweiten Akts treiben Scarpias Helfershelfer ein paar junge Leute für sadistische Spielchen zusammen. Diese stumme Szene zeigt, wohin die Regie mit einer zugespitzten politischen Aktualisierung noch hätte gehen können. Die Immlinger "Tosca" überzeugt dennoch mit ihrem Fazit: Das Böse ist immer und überall und treibt die Menschen in den Tod. Damals wie heute.

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