BR-KLASSIK

Inhalt

Kritik - "Ulisse" am Prinzregententheater Gelungener Mix frei nach Monteverdi

Die Oper "Il Ritorno d´Ulisse in in Patria" von Claudio Monteverdi wurde im Jahr 1640 uraufgeführt. Es geht um den Heimkehrer Odysseus und um die Emotionen, die die handelnden Personen quälen und antreiben. Es geht aber auch um das Machtgefüge, das sie umgibt. Diesen mythischen Stoff hat sich das Leitungsteam der Bayerischen Theaterakademie August Everding in München jetzt für eine unkonventionelle, ja experimentelle Neudeutung der Barockoper ausgesucht.

Szenenbild aus "Ulisse" nach Claudio Monteverdi an der Theaterakademie August Everding | Bildquelle: © Jean-Marc Turmes

Bildquelle: © Jean-Marc Turmes

Auf der Hinterbühne des Münchner Prinzregententheaters lagern normalerweise die Konzertwände. Es ist ein langgezogener, hoher Betonschlauch mit zwei seitlichen Ausgängen. Mehr als drei lange Stuhlreihen für die Zuschauer passen nicht hinein, und die Musiker sind so platzsparend wie möglich unter einer Eisentreppe und in der rechten Ecke dieses Un-Raumes aufgestellt.

Penelope mal drei

Aber genau das wollte Regisseurin Martina Veh - einen ungewöhnlichen Spielort für ihre Version von Ulisses Heimkehr. Hafenatmosphäre sollte es haben, und die schafft sie durch eine Videoprojektion am Eingangstor und eine Geräuschkulisse, die monotone, metallische  Arbeit  darstellt: Penelope muss an der Nähmaschine nähen - genauer gesagt sind es drei Penelopes. Die Rolle der wartenden, treuen Ehefrau gibt so viel her, dass sie durchaus auf drei Protagonistinnen verteilt werden kann. Die dunkelhaarigen Mezzosopranistinnen Pia Viola Buchert, Jessica-Veronique Miller und Clara Corinna Scheurle verkörpern die dreifach verzweifelt wartende Penelope ausdrucksstark und in wunderbarer stimmlicher Verschmelzung.

Experiment mit origineller Instrumentierung

Das neue musikalische Arrangement von Joachim Tschiedel fasziniert durch die originelle Instrumentierung  mit Orgel, Cembalo, Gambe, Blockflöte und Hackbrett und durch den experimentellen Umgang mit dem alten musikalischen Material. Hackbrett-Professorin Birgit Stolzenburg klopft auch ausgiebig auf die Stahlrohre der Treppe, oder auf Holz, Blockflötistin Franziska Dolling unterstützt die Solisten wirkungsvoll im Spiel mit den Affekten, und der surrende Gabelstapler und das Krachen der Waffen gehören mit zur Klangcollage frei nach Monteverdi.  Joachim Tschiedel leitet die "Accademia di Monaco extra" von der meeresgleich glucksenden Orgel aus, und alle sind trotz der räumlich und akustisch seltsamen Hinterbühnen-Bedingungen richtig gut zusammen.

Und Telemaco hört Techno

Stefan Sbonnik singt den heimkehrenden Krieger Ulisse mit schlankem Tenor und findet im Duett mit Bavo Orroi seinen Sohn Telemaco wieder, der vorher immer mit Kopfhörern laute Technomusik gehört hat. Regisseurin Martina Veh hat jede Rolle sehr genau charakterisiert: Sie verlangt vom Liebespaar Melanto und Eurimaco eine glaubwürdige Kopulations-Szene, von Sopranistin Andromahi Raptis den Iro eines köstlich komischen Penners , von Neptun und den Männern eine handfeste Schlägerei. Es ist was los auf der schmalen Hinterbühne des Prinzregententheaters bei diesem Ulisse. Szenisch wie musikalisch. Eine Entdeckung für Freunde antiker Mythologie und schöner junger Stimmen - und ein zu entdeckender Mix aus experimenteller und Barockmusik.

Ulisse - auf der Hinterbühne des Prinzregententheaters

Premiere: 17. Oktober 2016 20:00 Uhr
Weitere Aufführungen: 19./21. Oktober 2016 - jeweils 20:00 Uhr; 23./29. November 2016 - jeweils 20:00 Uhr; 1. Dezember 2016 20:00 Uhr

Mehr zum Programm finden Sie auf den Online-Seiten der Theaterakademie August Everding.

    AV-Player