Eduard Küneckes Operette "Der Vetter aus Dingsda" feiert am Landestheater Coburg Premiere. Christian Limpert hat die letzten Proben besucht und konnte schon vorab einen Blick auf die Inszenierung von Regisseurin Julia Dippel werfen.
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"Ich bin nur ein armer Wandergesell, gute Nacht liebes Mädel gut' Nacht..." So beginnt nur einer von vielen Ohrwürmen in dieser Operette. Wie sich der fremde Landstreicher wirklich nennt, verrät er zunächst nicht. Und dass er gar Julias große Liebe ist, das muss sie erst herausfinden. Als reiche Erbin ist Julia gerade volljährig geworden. Der Onkel, die Tante und auch ihr Vormund wollen sie jetzt mit den eigenen Söhnen verheiraten, um an ihr Erbe zu kommen.
Bildquelle: Sebastian Buff Regisseur Jörg Behr verlegt die Handlung dorthin, wo "Der Vetter aus Dingsda" entstanden ist: Berlin im Jahr 1921. Eine Zeit, in der es für viele Menschen ums reine Überleben ging. Statt auf Etikette und Oberflächlichkeiten hat man hier vor allem auf den Menschen selbst geschaut. "In diesem Stück wird Klartext geredet", sagt Jörg Behr. In den 50er-Jahren wären solche Aussagen undenkbar gewesen: "Onkel und Tante sind Verwandte, die man am liebsten nur von hinten sieht." Jörg Behr reizt es, dass dem Adressaten hier solche Sätze direkt ins Gesicht gesagt werden. Es sei "eine wohltuende Frechheit im Umgang miteinander,weil es eine Offenheit ist. Und diese Offenheit ist verbunden mit dieser Operettenscheinwelt", so Behr.
Uns war vor allem wichtig, dass die Choreografie mit der Regie verschmilzt.
Die Kulisse: blumig und spießbürgerlich, Tisch, Couch und Kühlschrank aus den 20ern. Das Philharmonische Orchester als Salonorchester auf der Bühne. Dazwischen wirbeln die Protagonisten dieser Komödie, die in der Choreografie von Daniel Cimpean auch viel tanzen müssen: Walzer bis Charleston. "Uns war vor allem wichtig, dass die Choreografie mit der Regie verschmilzt", betont Daniel Cimpean. Alles solle ineinander greifen, so dass man sich die Bälle hin und her spielen könne. "Nicht, dass nur ein Tanz stattfindet und darauf das Erzählen folgt und dann ist Ende. Stattdessen soll alles miteinander verschmelzen.", so Cimpean.
Bildquelle: Sebastian Buff "Strahlender Mond..." ist ein weiterer Ohrwurm dieser Operette und der große Auftritt Julia de Weerts. Mit einem Luftballon in der Hand bittet sie den Mond darum, ihr endlich den Geliebten zurückzubringen, der vor vielen Jahren nach Dingsda in Asien gereist ist und sich seitdem nicht mehr gemeldet hat. Regisseur Jörg Behr sieht in der Rolle Julias die Widersprüche der frühen 20er-Jahre. Eine Zeitenwende: Für die Männer, als Kriegsheimkehrer dargestellt, ist Julia die klassische Ehefrau, die ihnen ein neues Zuhause bieten kann. Julia aber verkörpert die selbstbestimmte Frau. Sie entscheidet selbst, wen sie liebt und was mit ihrem Geld passiert. "Julia wird vom Gericht für volljährig erklärt und kann selber bestimmen", so Behr. "Damit müssen die Herren der Schöpfung eben klar kommen." Die Musik schaffe es, all diese Konflikte brillant miteinander zu verbinden – mit einer damals absolut zeitgemäßen Musik. Sie ist sehr eingängig und bringt alle Orchesterfarben zum Einsatz.
Das ist eine ne wahnsinnig gut gebaute Musikkomödie.
Ein bisschen Schmachten im Dreiviertel-Takt muss trotzdem sein, bevor es zum großen Happy End kommt. Das Bühnenbild, das Julias Schloss wie eine Oase vor der dunklen Skyline Berlins wirken lässt, das Orchester als Teil der Handlung auf der Bühne, und eine durchchoreografierte, ironische Personenregie - das alles passt zusammen.
Operette in drei Akten von Eduard Künnecke
Premiere: Sonntag, 5. Mai 2019 um 18 Uhr
Alle Termine und weiteren Infos finden Sie auf der Homepage des Landestheaters Coburg.
Sendung: "Allegro" am 5. Mai 2019 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Eine Kritik sendet BR-KLASSIK in "Allegro" am 6. Mai 2019 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK