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"West Side Story" in Nürnberg 9/11 und Trumps Wahlversprechen

Rostige Stahlträger, riesige Glasscherben, zersplitterte Fenster – Melissa Kings Inszenierung ist düster und spielt im heutigen New York. Am Samstag ist Premiere am Staatstheater Nürnberg.

West Side Story in Nürnberg | Bildquelle: © Bettina Stoess

Bildquelle: © Bettina Stoess

Der wohl legendärste Bandenkrieg der Musical-Geschichte darf natürlich auch in Nürnberg nicht fehlen. Gleich nach wenigen Takten prügeln sich die Jets, die eingeborenen New Yorker, mit den Sharks, den Einwanderern aus Puerto Rico. Ein temporeich choreographierter Tanz-Battle, der zwischen zwei riesigen Konstruktionen aus rostigen Stahlträgern ausgetragen wird. Die düstere Optik erinnert an das Gerippe unfertiger Hochhäuser im New York der 50er Jahre. Doch ansonsten verzichtet Regisseurin und Choreographin Melissa King auf Anspielungen an die alte West Side Story.

Ich habe es modernisiert. Es ist athletischer und aggressiver.
Regisseurin und Choreographin Melissa King

Melissa King hat selbst schon in einigen West Side Storys getanzt und das Musical in mehreren Städten inszeniert. Für die Nürnberger Inszenierung hat sie sich gleichzeitig inspirieren und erschrecken lassen – von ihrer Heimat, den USA. Für King liegt das damalige Amerika Bernsteins und das heutige – nach den Anschlägen auf das World Trade Center und mit Donald Trump als Präsident – sehr eng beieinander. Die Amerikanerin hat ihre Nürnberger West Side Story eng mit 9/11 verbunden. In einer Szene tanzen die Gangs unter riesigen Glasscherben, die von der Bühnendecke hängen, wie die zersplitterten Fenster der Hochhäuser des World-Trade-Centers. Vor der ersten Szene prangt am Bühnen-Vorhang "Built that Wall" – Trumps Wahlversprechen.

Mozart und Swing

West Side Story in Nürnberg | Bildquelle: © Bettina Stoess Bildquelle: © Bettina Stoess Die Inszenierung ist neu, die Musik natürlich original. Auch in Nürnberg erklingen die weltberühmten Lieder wie "Maria", "Somewhere" oder "Tonight" – auch in der Staatsoper schwelgen Tony und Maria im euphorischen, dann tragischen Liebestaumel. Der stellvertretende Generalmusikdirektor Lutz de Veer hat aus seinem Opernorchester ein kleineres, aber durchaus noch opulent besetztes Musical-Orchester geformt.

Leonard Bernsteins West Side Story hat sich längst über die Grenzen des Musicals hinaus etabliert, sie steht auf dem Programm jedes Philharmonischen Orchesters – und das aus gutem Grund: Für Lutz de Veer bediente sich Bernstein meisterhaft an allen Musikrichtungen, bei Mozart und Tschaikowsky ebenso wie im Jazz und Swing-Bereich.

Für Bernstein gab es keine E- oder U-Musik, nur gute und schlechte Musik.
Lutz de Veer, Dirigent

Hoffnungsvolle Momente

Gerade mit Bernsteins gefühlvoller West Side Story-Musik will Regisseurin Melissa King einen Kontrapunkt setzen zur aktuell oft hasserfüllten Atmosphäre in ihrer Heimat, den USA. Dass Verständigung möglich ist, habe außerdem auch Bernstein schon in seinem Musical angelegt – im tragischen Traumpaar Maria und Tony: "Ich glaube, das gibt es Momente zwischen Maria und Tony, so hoffnungsvolle Momente", sagt Melissa King. "Ich möchte, dass die Leute nach Hause gehen und ein bisschen gefühlvoller miteinander umgehen. Das würde ich mir wünschen."

"West Side Story" am Staatstheater Nürnberg

Musical von Leonard Bernstein
Premiere: 26.10.2019
Regie und Choreographie: Melissa King
Musikalische Leitung: Lutz de Veer

Weitere Infos auf der Homepage des Staatstheaters Nürnberg.

Sendung: "Leporello" am 25.10.2019 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

Eine Kritik zur Nürnberger Inszenierung können Sie am Sonntag hier auf brklassik.de lesen und am kommenden Montag im Morgenmagazin
"Allegro" hören.

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