KlickKlack
Das Musikmagazin mit Sol Gabetta und Martin Grubinger
Sol Gabetta begrüßt ihre Zuschauerinnen und Zuschauer mit einer KlickKlack-Sondersendung vom Hemsing Festival in Norwegen. Hier veranstalten die Geschwister Eldbjørg und Ragnhild Hemsing jedes Jahr ein Kammermusik-Festival, bei dem sich Volksmusik und klassische Musik die Hand reichen. Selten sind sich Zuschauer und Musiker so nah. Manche Konzertorte erreicht man nur mit den Skiern - eine Reise in den schönsten Winter.
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Musikfestivals - das sind meistens große Veranstaltungen für ein großes Publikum in großen Opern- und Konzerthäusern. Beim Hemsing Festival ist das anders: Das Festival findet in Aurdal, knapp 200 Kilometer nördlich von Oslo statt. Rund 700 Einwohner hat das Dorf und entsprechend klein sind auch die Veranstaltungsorte: Etwa eine kleine Holzkirche mitten im Schnee, zu der man am besten auf Skiern kommt. Für das Publikum gibt es dann zum Aufwärmen Kaffee und Gebäck. Geführte Skitouren gehören genauso zum außergewöhnlichen Programm des Hemsing-Festivals wie ein Lunch-Konzert bei einem Hersteller von Rakfisk, einer Fisch-Spezialität der Region Valdres.
Die Idee für das ungewöhnliche Festival hatten die Schwestern Ragnhild und Eldbjørg Hemsing. Sie wuchsen in Aurdal mit traditioneller norwegischen Musik auf, ihre Mutter spielte Geige in einem Volksmusikensemble. Heute sind die beiden international gefragte Violinistinnen. "Wir haben von dieser Gesellschaft und dieser Umgebung so viel Unterstützung bekommen, dass wir etwas zurückgeben wollen", sagt Eldbjørg Hemsing über die Initialidee zum Hemsing Festival.
Die ukrainische Pianistin Anna Fedorova beim Eröffnungskonzert des Hemsing Festivals in der Kirche in Aurdal, Norwegen. | Bildquelle: BR
Seit 2013 findet das Hemsing Festival jährlich im Februar statt, in diesem Jahr feiert es sein 10-jähriges Bestehen. Die Musik hier spiegelt die beiden musikalischen Seiten der Hemsing-Schwestern wider: einerseits klassisches Konzertrepertoire, andererseits norwegischer Folk. Heuer eröffnete das Programm ein Werk des ukrainischen Komponisten Valentin Silvestrov. Die aus der Ukraine stammende Pianistin Anna Fedorova spielte das leise Stück auf der Bühne. Die beiden Festivalbegründerinnen wollten ihr so die Möglichkeit geben, über den Krieg in ihrer Heimat musikalisch zu erzählen. "Wir dachten, es sei ganz wichtig, auch einen Blick auf das zu richten, was gerade in der Welt passiert", sagt Eldbjørg Hemsing.
Es ist erstaunlich, wie das Festival gewachsen ist und wie es sich entwickelt hat.
Der Gitarrist Thibaut Garcia ist dieses Jahr in Aurdal dabei und spielt Kammermusik zusammen mit Eldbjørg Hemsing – und auch Sologitarre. „Das ist wie eine neue Familie“, schwärmt er vom Festival. „Vor ein paar Tagen kannten wir uns noch gar nicht und jetzt sind wir schon Freunde und machen Musik, essen zusammen und verbringen eine tolle Zeit.“ Der Geiger und Komponist Gjermund Larsen arbeitet zusammen mit den Hemsing-Schwestern schon seit der Gründung des Festivals vor 10 Jahren. Heuer haben Eldbjørg und Ragnhild ein Stück bei ihm in Auftrag gegeben. Herausgekommen ist „Der fliegende Reinlender" – eine Mischung aus Klassischer Musik, Minimal Music und traditionellen Rhythmen aus Norwegen.
In der Jubiläumsausgabe des Festivals haben die Hemsing-Schwestern sich etwas ganz Besonderes für ihr Publikum überlegt. Die Musikerin Marja Mortensson verzaubert die Besucher mit dem kehligen, archaischen Joik-Gesang der Samen, der Ureinwohner Lapplands. Mortensson singt in ihrer Muttersprache Südsamisch, die heute nur noch von etwa 500 Menschen gesprochen wird. Lange Zeit war Joik verboten und wurde bekämpft – doch die wunderschöne Tradition hat überlebt. Heute setzt sich Marja Mortensson für sein Weiterbestehen ein. Bei Joik wird vor allem die Vorstellungskraft genutzt: Man joikt nicht über etwas, man joikt etwas. "Wir sagen nicht: wir singen. Wir joiken", erklärt Marja. "Das bedeutet, das ist die Identität, die Melodie des Berges. Ich singe nicht über den Berg, ich bin der Berg. Das ist die Philosophie des Joik."
Joik ist ein wichtiger Bestandteil der Sami - und ein wichtiger Teil der norwegischen Geschichte.
Musiker Terje Isungset spielt ein Konzert auf Eis-Instrumenten. | Bildquelle: BR
In einer mongolischen Jurte erwartet das Publikum noch eine Überraschung: Der norwegische Jazzperkussionist Terje Isungset tritt hier mit Instrumenten auf, die alle aus natürlich gefrorenem Wasser hergestellt wurden. Wenn Terje dann mit dem Spielen beginnt, entsteht schnell eine sogartige, meditative Stimmung. Für seine Musik verwendet Terje Isungset ausschließlich Naturmaterialien. „Natürlich kann man künstliches Eis herstellen, aber es klingt einfach nicht“, sagt Terje. Er hat schon Kunsteis aus der ganzen Welt ausprobiert - aber keines hatte einen guten Klang. „Man muss natürliches Eis finden, das wirklich gut klingt!“ Und der Eisklang kommt auch beim Publikum gut an. Die Leute jubeln – und klatscht sich schon mal für den Heimweg durch den Schnee warm.
Sendung: "KlickKlack" am 14. März 2023 um 00:00 Uhr im BR Fernsehen