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Darius Milhaud Der Meister des Mediterranen

Neben Poulenc und Honegger ist er der prominenteste Vertreter der Pariser "Groupe des Six" - stilistisch enorm vielseitig, schöpferisch höchst produktiv und fest verwurzelt im Boden der südfranzösischen Mittelmeer-Landschaft. In der Mittagsmusik fünf Mal charakteristischer Darius Milhaud.

Komponist Darius Milhaud - Aufnahme vom 22.04.1963 | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Darius Milhaud war Südfranzose. Er entstammte einer alten, wohlhabenden und kulturell engagierten jüdischen Familie aus der Provence, genauer: aus der nördlich von Marseille, im Herzen Südfrankreichs gelegenen Stadt Aix-en-Provence, in der rund fünfzig Jahre vor ihm auch der Maler Paul Cézanne geboren worden war und der Schriftsteller Émile Zola seine Jugend verbracht hatte. Den größten Teil seines Lebens brachte Milhaud mit ausgedehnten Konzertreisen und langen Auslandsaufenthalten zu: Während des 1. Weltkriegs beispielsweise war er Kulturattaché des französischen Botschafters Paul Claudel in Rio de Janeiro, in den 1940er Jahren ständiger Professor für Komposition am Mills College im kalifornischen Oakland. Dennoch blieb er immer der "Français de Provence", wie er sich selbst in seiner Autobiographie bezeichnete. Zeitlebens war er fest verwurzelt im Boden der französischen Mittelmeer-Landschaft, deren Stimmungen und Ansichten er auf alle Küstenregionen der südlichen Hemisphäre projizierte: Für Milhaud erstreckte sich die heimatliche Provence "von Konstantinopel bis Rio de Janeiro".

Charme und Flair des Südens

Montagne Sainte-Victoire von Paul Cezanne | Bildquelle: picture-alliance/dpa Bildquelle: picture-alliance/dpa So finden sich in vielen Partituren von Milhaud - wie in Cézannes Bildern - die charakteristischen Merkmale der Provence und Côte d'Azur widergespiegelt: die sengende südliche Sonne, die flimmernd heiße Luft, die zerklüfteten Felsen, das leuchtende Blau des Himmels und des Meeres - all das verbindet sich in ungezählten Werken Milhauds zu einer Musik von unvergleichlich mittelmeerischem Charme und Flair. Darius Milhaud - er war der Meister des Mediterranen.

Grenzgänger zwischen allen musikalischen Sphären und Stilen

Milhauds Schaffen beschränkt sich freilich nicht auf Musik südlicher Impressionen. Darius Milhaud war nicht nur einer der bedeutendsten französischen Komponisten des 20. Jahrhunderts, sondern auch einer der vielseitigsten und produktivsten. Er komponierte mit der Leichtigkeit und Schnelligkeit Mozarts, und wie Schubert konnte er alles, was er sah, erlebte und fühlte, sofort in Musik umsetzen; dass er nach dem für alle Welt schockierenden Attentat auf den amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy innerhalb von nur zwei Tagen das Orchesterstück "Meurtre d'un grand Chef d'État" (Mord an einem großen Staatsmann) komponierte, dies ist nur ein Beispiel für seine fast magische Fähigkeit, Eindrücke unmittelbar in Musik zu verwandeln. Als Milhaud 1974 im Alter von 82 Jahren starb, hatte sein Werkverzeichnis die Opuszahl 441 erreicht. Kaum eine Gattung war in diesem beachtlichen Gesamtœuvre unberücksichtigt geblieben. Es umfasst Symphonien, Konzerte, Opern, Ballette, Kantaten, Quartette, Sonaten und Lieder. Und es kennt keine Grenzen zwischen den musikalischen Sphären und Stilen - zwischen Konzertsaal und Jazzlokal, zwischen Oper und Variété, zwischen Neoklassizismus und Avantgarde, zwischen einer impressionistisch klangsinnlichen Harmonik und der dissonant "gepfefferten" Polytonalität - jenem Übereinanderstellen verschiedener Tonarten, das Milhaud bis zum Äußersten trieb und das einen Teil seiner kompositionsgeschichtlichen Bedeutung ausmacht.

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