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Bayreuther Festspiele

24. Juli - 28. August 2023

Eine unrühmliche Geschichte Die Familie Wagner und das Dritte Reich

"Lieber Führer sei so nett, zeige Dich am Fensterbrett!" So schallte es aus Hunderten von Kinderkehlen, als Adolf Hitler als "Führer" - traditionell vom Seitenfenster des Könisportals - die Ovationen der Zaungäste am Grünen Hügel entgegennahm.

Adolf Hitler, der Dirigent Franz von Haesslin, die Sängerin Maria Müller, ein nicht identifizierter Mann und Joseph Goebbels während eines Empfangs bei Winifried Wagner im Haus Wahnfried in Bayreuth. | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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In Bayreuth konnte der verhinderte Maler und glühende Wagner-Fan Adolf Hitler seinen Künstlerträumen nachhängen und privat entspannen. Schon in den 20-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts waren die Wagners so etwas wie eine Ersatz-Familie für ihn.

Wagnerklänge zum Kriegsgeschehen

Festspielauffahrt in der Nazizeit | Bildquelle: picture-alliance/dpa Festspielauffahrt in der Nazizeit | Bildquelle: picture-alliance/dpa Der Rassentheoretiker Houston Steward Chamberlain hatte Hitler schon im Herbst 1923 als "Deutschlands Lichtgestalt" bezeichnet. Der Wagner-Schwiegersohn Chamberlain lebte in Bayreuth. Nach seinem Tod 1927 ebendort wurde er von den Nationalsozialisten verehrt wie ein Heiliger. Die Propaganda-Maschinerie des Nationalsozialismus nutzte den internationalen Ruf der Festspiele als künstlerisch-ideologisches Aushängeschild. Die braunen Machthaber bemächtigten sich der oft genug klanggewaltigen Tonsprache Richard Wagners und benutzten sie erfolgreich als emotional-martialische Begleitmusik für ihre Welteroberungs-Feldzüge.

Geld aus der Reichskasse

Winifred Wagner und Adolf Hitler am 6.03.1934  | Bildquelle: picture-alliance/dpa Winifred Wagner und Adolf Hitler, 1934 | Bildquelle: picture-alliance/dpa Wolfgangs Mutter Winifred war es nach ihrem eigenen Selbstverständnis gelungen, Bayreuth zu einer Art Nationalheiligtum der deutschen Kunst zu machen - unter der persönlichen Patronage Hitlers, ihres "Busen- und Musenfreundes", wie Stadthistoriker Bernd Meyer einmal schrieb: "Wahnfrieds Winnie und der böse Wolf". Dennoch trat Winifred beispielsweise nie der Reichstheaterkammer bei und versuchte unter anderem dadurch eine gewisse künstlerische Unabhängigkeit zu bewahren. Gleichzeitig aber spekulierte sie auf Subventionen aus der großdeutschen Reichskasse - mit Erfolg.

Wolfgang Wagner im Krieg verwundet

Doch der persönliche Kontakt zum Führer bewahrte auch den jungen Wolfgang Wagner nicht davor, nach der mittleren Reife zum Arbeitsdienst und zur Wehrmacht eingezogen zu werden. Er diente ohne sonderliche patriotische Begeisterung, wie er sich später erinnerte. Während des Polen-Feldzugs 1939 wurde er durch eine Maschinengewehrsalve schwer an Hand und Oberschenkel verletzt.

Wagner trifft Tietjen

Mit dem steif gewordenen Arm wurde er aus der Wehrmacht entlassen und ging nach Berlin, um das Theater von der Pike auf kennenzulernen. Die Verbindung zu Berlin und zur Staatsoper Unter den Linden war der Generalintendant des Preußischen Staatstheaters Heinz Tietjen. Er stand mit der Familie Wagner in einem vertraut-freundschaftlichem Verhältnis. Tietjen vermittelte Wolfgang an einen seiner Korrepetitoren zur musiktheoretischen Ausbildung. In dieser Zeit hat sich Wolfgang Wagner auf der fachlichen Ebene seine Grundlagen als pragmatischer Theatermacher angeeignet.

"Ich höre die Flügel der Siegesgöttin rauschen!"

Adolf Hitler mit Winifred Wagner und 4 männlichen Begleitern in einer Opernloge im Festspielhaus auf dem "Grünen Hügel" in Bayreuth, 1930er Jahre. | Bildquelle: BR / Studio Franken Adolf Hitler mit Winifred Wagner und vier männlichen Begleitern in einer Opernloge im Opernhaus Nürnberg. | Bildquelle: BR / Studio Franken Am 23. Juli 1940 war Adolf Hitler ein letztes Mal in Bayreuth zu Gast. Bei den ersten Kriegsfestspielen nach dem Frankreichfeldzug sah sich der "Führer" eine Aufführung der Götterdämmerung an. Gegenüber Winifred Wagner verabschiedete er sich anschließend mit den Worten: "Ich höre die Flügel der Siegesgöttin rauschen!" Dann verließ Hitler mit einem Panzerzug Bayreuth - Wolfgangs Mutter sollte ihren Freund "Wolf" nie mehr wiedersehen. Sein Bayreuther Refugium, die Villa Wahnfried, sollte wenige Jahre später in Trümmern liegen.

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