BR-KLASSIK

Antonio Literes, ein spanischer Komponist der Barockzeit, schrieb fantasievolle, dramatisch aufgeladene Kirchenmusik voll sinnlicher Energie.

Bildquelle: © 1700 Classics

"Ich kann nicht umhin, an den sehr sanften Literes zu erinnern, einen Komponisten von wahrem Genie. Denn in all seinen Werken strahlt ein Charakter von großer Süße, typisch für schöpferische Begabung."

Was will man mehr? Ein Ritterschlag ist dieses Urteil, noch dazu erteilt mit prominentem Kritikerschwert. Benito Jerónimo Feijoo, ein spanischer Benediktinermönch und Gelehrter, einer der brillantesten Köpfe seiner Zeit, verneigt sich 1726 vor Antonio Literes, der heute fast gänzlich im Nebel des Vergessens versunken ist. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass dieser Komponist sich weder durch furiose Publikationen noch durch irgendwelche spektakulären Skandale einen Platz auf dem Olymp der Erinnerung gesichert hat. Vielmehr kann man mit Fug und Recht behaupten, dass das Leben von Antonio Literes - im Gegensatz zu dem vieler seiner Kollegen - dahinströmte wie ein breiter, ruhiger Fluss.

Fantasievoller Schöpfer

Geboren wurde der Komponist 1673 auf Mallorca, mit 13 kam er von der Sonneninsel nach Madrid, wo er Violoncello und Komposition studierte. In der spanischen Hauptstadt blieb er dann die noch verbleibenden 54 Jahre bis zu seinem Tod. Antonio Literes komponierte für den spanischen Hof und konnte durchaus zufrieden sein mit sich und seinem Leben. Denn man schätzte ihn sehr - vor allem als überaus fantasievollen Schöpfer von allerlei Witzigem und Tragischem für die Bühne.

Musik fürs Theater - ein gutes Stichwort, wenn es um eine Aufnahme geistlicher Kantaten von Antonio Literes geht, die der Countertenor Carlos Mena, der Geiger und Dirigent Daniel Pinteño und das spanische Barockorchester Concerto mil settecientos - also Concerto 1700 - herausgebracht haben. Denn diese Kirchenmusik ist nicht still und andachtsvoll, sondern voller Aufgewühltheit, temporeich und von vorwärtsdrängender Dramatik. Unschuldsvoll mit dem Prädikat des Sakralen getarnt wirft uns das, was hier wie ein Wirbelsturm losbricht, auf die große Bühne von Lust und Leidenschaft. Dabei setzt Antonio Literes mit hörbarem Enthusiasmus die starke Bildhaftigkeit der Texte in Szene. Die Sonne geht mit Trompetenpracht auf, das Schiff der Seele treibt auf der Gischt brandender Streicher-Wogen durch stürmische See.

Exzellentes Orchester

Immer wieder geht's natürlich auch um Liebe. Die zu Gott? Oder die andere? So ganz klar wird das nicht. Der Countertenor Carlos Mena singt mit geläufiger Gurgel ohne Fehl und Tadel. Wahre Sensation in dieser Aufnahme allerdings ist das exzellente Orchester Concerto mil settecientos, das seinen außergewöhnlich anspruchsvollen Part mit einer derartigen Präzision und Leichtigkeit abliefert, dass einem fast die Ohren abfallen. Ganz abgesehen davon: Die Musik von Antonio Literes ist einfach wunderschön. Der Himmel des Südens tut sich in ihr auf, weit und blau, wolkenlos und voller Sommer.

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 11. September 2022, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK