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Kostprobe | 23.05.2021 Telemann - 12 Fantasien für Violine solo

Nicht nur Johann Sebastian Bach hat für Violine solo komponiert. Auch von Georg Philipp Telemann gibt es einen umfassenden Solozyklus mit 12 Fantasien. Dessen Stärken liegen jedoch an ganz anderer Stelle. Gunar Letztbor hat ihnen intensiv nachgespürt, das Ergebnis liegt jetzt auf CD vor.

CD-Cover: Telemann - 12 Fantasien für Violine solo | Bildquelle: © Panclassics

Bildquelle: © Panclassics

Das Stift St. Florian in der Nähe von Linz verbindet man normalerweise nicht mit Barockmusik. Es ist ein prächtiger Barockbau, ja, aber auch eine Wallfahrtsstätte für Bruckner-Fans. Anton Bruckner ist hier begraben, er ruht direkt unterhalb seiner Lieblingsorgel. Aber nicht nur für Bruckner war St. Florian ein Refugium, auch der Barockgeiger Gunar Letzbor schätzt die besondere Atomsphäre dieses Ortes. Die Räumlichkeiten der Klosteranlage bieten ideale Bedingungen für die verschiedenen Spielarten der Barockmusik.

Galanter Stil

In der Corona-Zwangspause hat sich Gunar Letzbor intensiv mit den Fantasien für Violine solo von Georg Philipp Telemann auseinandergesetzt. Die Telemann-Fantasien stehen im Schatten der Solowerke von Johann Sebastian Bach. Sie werden meist als vergleichsweise dürftig angesehen und mehr oder weniger links liegen gelassen. Der Vergleich hinkt allerdings -  was sich am besten in dem hartnäckigen Missverständnis zeigt, sie als Vorgänger der Bachwerke anzusehen. Tatsächlich aber sind sie später entstanden, und die vermeintliche Dürftigkeit ist einem sich verändernden Musikideal geschuldet. Stichwort ist der Galante Stil mit seiner frei fließenden Melodik und Form.

Nie versiegende Erfindungsgabe

Was an Telemann insbesondere zu Lebzeiten so geschätzt wurde, war seine nie versiegende Erfindungsgabe. Immer ist alles frisch und lebendig, tatsächlich wiederholt er sich kaum. Diese reiche Vielfalt hat Gunar Letzbor nun für sich entdeckt und erarbeitet. Sein Ton ist rau, wo Telemann seine geliebten polnischen Musikanten zitiert, schlicht und lieblich, wenn ein Dolce es erfordert, innig dort, wo die Musik ernst und innig ist. In den ersten sechs Fantasien zeigt Telemann auch sein Verständnis und seine Beherrschung des allmählich veraltenden kontrapunktischen Stils. Er zeigt nicht nur, in welche Richtung sich die Musik entwickelt, sondern auch, woher sie kommt.

Subtile Details

Den Telemann-Fantasien tut es gut, wenn sich ihnen ein Meister seiner Zunft wie Gunar Letzbor mit seinem gesamten Können zuwendet. Nicht nur Letzbor selber, sondern auch dem und der Lauschenden erschließt sich eine vielgestaltige Welt schönster und atemberaubend souverän gehandhabter Musik. Gut auch, das Gunar Letzbor nicht der Versuchung unterliegt, diesen Werken durch gefälliges Spiel entgegenzukommen und damit die Vorurteile vielleicht sogar noch zu verstärken. Im Gegenteil, mit fantastischem Geigenklang und subtilen Details in Tongebung, Phrasierung und Intonation arbeitet er die blanke Substanz heraus, die diese Werke tatsächlich besitzen.

Georg Philipp Telemann - 12 Fantasien für Violine solo

Gunar Letzbor, Violine
Label: Pan Classics

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 23. Mai 2021, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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