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Kostprobe | 15.05.2022 "Rivales" mit Véronique Gens und Sandrine Piau

Sie ließen die Opernbühnen von Paris in den Jahren vor der Revolution mit ihren Stimmen erstrahlen: Madame Saint-Huberty und Madame Dugazon. Zwei französische Primadonnen der Gegenwart widmen ihnen und ihrem Repertoire eine neue CD.

CD-Cover: Rivales | Bildquelle: © alpha classics

Bildquelle: © alpha classics

Die Story klingt wie aus einem Mantel-und-Degen-Film: Madame Saint-Huberty, einst gefeierte Opernsängerin in Paris, flieht mit ihrem zweiten Ehemann, einem Royalisten, vor den Truppen Napoleons nach London - im Gepäck das handschriftliche Testament des letzten französischen Königs vor der Revolution, das Vermächtnis Ludwigs des XVI. Ein brisantes Dokument - und so endete das glamouröse Leben der Madame Saint-Huberty mit der Kugel eines Auftragskillers zwischen den Rippen.

Im Rampenlicht

Eine weitere Primadonna der französischen Oper vor der Revolution war Madame Dugazon. Ihr gelang trotz Verbindungen zum Ancien Regime eine zweite Karriere um 1800. Jetzt, über 200 Jahre später, bekommen diese beiden Frauen, Madame Saint-Huberty und Madame Dugazon, wieder etwas vom heiß ersehnten Rampenlicht ab. Denn ihrem Leben und ihrem Repertoire widmet sich eine neue CD mit zwei ihrer nicht minder glanzvollen Nachfolgerinnen: Véronique Gens und Sandrine Piau. Zum Glück müssen die beiden Sopranistinnen heute nicht mehr um ihr Leben fürchten - und die Boulevard-Skandale produzieren kaum noch die Opernsängerinnen, sondern eher Influencerinnen und Youtube-Stars.

Paris - Hotspot der Oper

So lenkt aber immerhin nichts vom Fokus auf die Musik ab. Die Stimmen von Madame Saint-Huberty und Madame Dugazon sind zwar für immer verklungen, aber ihr Repertoire ist überliefert. Und es erlaubt tiefe Einblicke ins Pariser Opernleben zwischen 1770 und 1800. Denn dieses Repertoire umfasste eben nicht nur Werke der bekannten Köpfe: Gluck, Grétry oder Cherubini, sondern auch von fast vergessenen Komponisten wie Jean-Frédéric Edelmann oder Nicolas Dalayrac.

Heldinnen

Véronique Gens und Sandrine Piau teilen sich auf der CD die Charakterfächer ihrer Vorgängerinnen auf: die eine übernimmt die Rollen der tragischen und mythologischen Heldinnen, die andere die der zärtlichen, naiven und sensiblen Liebhaberinnen. Diese vielen Facetten in den Stimmen und der Musik greift das Barockorchester Le Concert de la Loge perfekt auf, geleitet von Julien Chauvin. Eine rundum empfehlenswerte CD, bei der mitreißende Interpretationen Hand in Hand gehen mit Einblicken in zwei außergewöhnliche Frauenbiografien - Frauen, die starre Geschlechterrollen selbstbewusst ignoriert haben und dafür den öffentlichen Skandal nicht gescheut haben.

Rivales

Werke von Gluck, Grétry, Cherubini, Edelmann u.a.
Véronique Gens, Sandrine Piau - Sopran
Le Concert de la Loge; Leitung: Julien Chauvin
Label: alpha classics

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 15. Mai 2022, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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