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Josephine Baker erhält Auftrittsverbot in München Verletzung der öffentlichen Ordnung?

München, 14. Februar 1929. Eine Sensation: Josephine Baker ist in der Stadt. Fünf Abende lang soll sie im Deutschen Theater tanzen. Die einen sind begeistert, die anderen entsetzt. Zu dieser Zeit machen die Nazis bereits gegen alles Krawall, was ihnen nicht passt. Daher knickt die Polizeidirektion ein und verbietet das Konzert.

Josephine Baker  | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Die Sendung zum Anhören

Josephine Baker, 22 Jahre alt, stammt aus den Slums von St. Louis und tanzt zu wilder Jazzmusik. In ihrer Heimat hat man sie abblitzen lassen. In Paris jedoch, wo sie 1925 ihr Bühnen-Debüt gegeben hatte, reißt sie die Leute zu Begeisterungsstürmen hin. Der große Jean Cocteau nennt sie ein "Idol aus dunklem Stahl", und Coutouriers beliefern "La Baker" mit der neuesten Mode. Auch in Berlin ist das Publikum begeistert. Farbige werden in Europa anders wahrgenommen. Der Amerikaner denkt an Baumwollsklaven, der Europäer an Dschungelerotik. Das nutzt Baker aus. In ihrer Bühnenshow klettert sie an großen, langen Palmen herum, hüpft oben ohne zwischen halbnackten Trommlern hin und her, und die meisten im Publikum warten gespannt darauf, daß sie endlich ihre Federboas ablegt und im Bananenröckchen lasziv mit den Pobacken wackelt. Davon sind die europäischen Herrschaften völlig hin und weg. Aber: leider nicht alle.

Die "dümmste Stadt Deutschlands"

Am 14. Februar 1929 verbietet die Münchner Polizeidirektion das angekündigte Gastspiel von Josephine Baker im Deutschen Theater. Begründung: Es sei eine "Verletzung des öffentlichen Anstands und der öffentlichen Ordnung" zu erwarten. Der Intendant ist entsetzt, die Presse amüsiert sich. Eine Berliner Zeitung nennt München "die dümmste Stadt Deutschlands". Im "Simplicissimus" erscheint eine Karikatur, in der ein Gendarm und ein Geistlicher die halbnackte Tänzerin hinwegjagen. "In Bayern", rufen sie, "dürfen nur wir bodenständigen Schwarzen auftreten!"

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(1925) Josephine Baker dancing the original charleston | Bildquelle: Duncan Automatic Stop (via YouTube)

(1925) Josephine Baker dancing the original charleston

Angst vor pöbelnden Nazis

Die Kirche dagegen lobt die Entscheidung. Und auch der "Völkische Beobachter" applaudiert: "Es wäre auch zu peinlich gewesen für die Polizei, das ausgepfiffene Negermädchen gegen die empörten Theaterbesucher womöglich noch in Schutz nehmen zu müssen." Nicht Prüderie, sondern diese Klientel vor allem ist der Grund für die Entscheidung der Münchner Polizei. Vor ein paar Monaten erst haben pöbelnde Nazis im Gärtnerplatztheater Aufführungen von Ernst Kreneks Jazzoper "Jonny spielt auf" gestört. Mit Niespulver, Stinkbomben und weißen Mäusen. Das soll sich nicht wiederholen. Und so lässt man jetzt die umstrittene Dame ganz einfach nicht auftreten.

Bußgottesdienste in Wien

Dabei hätten sich alle eine viel hübschere Lösung aus dem Nachbarland abschauen können. In Wien nämlich hat man Josephine Baker tanzen lassen - und danach hat die Kirche zu Bußgottesdiensten aufgerufen.

Was heute geschah

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr, um 13:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 14. Februar 2023 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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