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BR-KLASSIK vergibt April-Frosch 2019 "Das Horoskop des Königs - L'Étoile" an das Theater Bremen

Der Operettenfrosch April 2019 "Das Horoskop des Königs - L'Étoile" an das Theater Bremen von Emmanuel Chabrier. Eine Inszenierung von Tom Ryser.

Operettenpreis: Frosch des Monats April für "Das Horoskop des Königs" an das Theater Bremen | Bildquelle: © Jörg Landsberg

Bildquelle: © Jörg Landsberg

Steckbrief

"Das Horoskop des Königs - L'Étoile" für das Theater Bremen
Regie: Tom Ryser

Los geht´s …    
… mit einem Sternenhimmel auf Gaze in einem riesigen, das Bühnenportal füllenden, Goldrahmen. Dahinter beginnt die Geschichte von König Ouf und seinen Untertanen. Die huschen geduckt in grauen Mänteln und Hüten – fast unkenntlich als Personen – über die Straße vor einer modernen weißen Villa mit moderner Straßenlaterne. Diese Villa ist die Residenz des Königs – oder ist es ein Hotel? Gar von innen? Jedenfalls kommen aus diesem fantasieanregenden Gebäude im Laufe des Abends die verschiedensten Menschen aus dem Fahrstuhl – oder gehen in ihn hinein. Auch der Hotelboy. Er ist gleichzeitig der Erzähler dieser etwas gekürzten, aber gut erzählten Fassung des Bremer Theaters.

Überraschung:       
König Ouf – rückwärts gelesen Fou – ist ein böser, autoritärer Regent, der sich zum Namenstag jährlich einen Untertan pfählen lässt. Eigentlich ein Mann zum Fürchten …. und doch ist er so sympathisch. Das ist verblüffend und witzig – nimmt dem Stück aber auch Schärfe. Denn nun kommen per Helikopter Fremde in das Land. Ein Botschafter samt Frau, Sekretär und Prinzessin. Die soll den König – natürlich aus Gründen der Staatsraison –  heiraten. Die Fremden sind inkognito, man will sich den fremden Machthaber vorsichtshalber erstmal ansehen.

Urkunde Operettenpreis April 2019 "Das Horoskop des Königs - L'Étoile" an das Theater Bremen | Bildquelle: BR-Klassik Operetten-Boulevard Bildquelle: BR-Klassik Operetten-Boulevard

Größte Lacher:  
Viele kleine Lacher und Schmunzler begleiten die Inszenierung. Manches bleibt dem Zuschauer auch im Halse stecken. Etwa, wenn der König unter seinen geduckten Untertanen niemanden findet, der ihn kritisieren mag. Oder wenn der herangereiste und deshalb als einziger doch aufmuckende Hausierer Lazuli sich nicht auf den Sessel setzen will, unter dem der Pfahl schon auf ihn lauert. Sehr witzig ist aber am Ende des Abends die Nicht-Sterbeszene des Königs und seines bibbernden Hofastrologen (der laut Testament eine Viertelstunde nach dem König sterben muss). Der ganze Hof und die beiden vom Schicksal Betroffenen warten auf den Tod und halten sich die Augen zu. Kinder in den Fängen des selbst geschmiedeten Schicksals. Irgendwie rührend.

Gelungenste Szene: 
Der ganze zweite Akt spielt in einem roten Zimmer auf Stelzen. Alle Personen treffen sich dort – praktisch über dem Abgrund. Denn seitlich und vorne geht es in die Tiefe, der Fahrstuhl ist der einzig einigermaßen sichere Zugang. In diesem kleinen Raum entwickelt sich das Schicksal der Anwesenden. Hausierer Lazuli und seine Prinzessin finden sich, um zu entfliehen. Der König und sein Astrologe versuchen dem Tod ein Schnippchen zu schlagen, Diplomat und Hotelboy wollen ihren Job machen, Diplomatengattin und Sekretär entdecken ihre gegenseitige Liebe. Fast hätte es noch ein Duell gegeben. Komödien-Klapptür-Spielchen auf engstem Raum.

Verblüffend:   
Wie charmant diese „einzige Offenbachiade nicht von Offenbach“ daherkommt. Wie hübsch die Musik, die Lieder, die Duette, Couplets – etwa ein Hatschi-Lied des an Land kriechenden, fast ertrunkenen Lazuli. Wie nett die Einfälle und Wendungen. Wie klug der Chor eingebunden. Das macht Spaß, geht aber nur mit einem homogenen Ensemble, das sich mit Verve in die Geschichte wirft. Und das tun auch alle (dass sogar eine ausgefallene Hauptdarstellerin ganz gut kompensiert werden kann). Sehr schön besetzt und ausgefüllt jede Partie, schön gestaltet jede Rolle. Ein intensiver Chor, darstellerisch wie sängerisch – das Orchester spielt unter der Leitung von Yoel Gamzou differenziert und mitreißend. Eine Freude, das Stück kennenzulernen.

Herausragend:  
Schwarzen Humor mit französischem Charme in Deutschland auf die Bühne zu bringen – und dann noch in einem völlig unbekannten Stück – das ist eine echte  Aufgabe. Zu schwarz ist politisch schwierig in den heutigen Zeiten, fand das Produktionsteam. Zu harmlos wird der Sache aber nicht gerecht. Zur tiefschürfend und böse haut den Charme tot, zu viel Charme nimmt die Schärfe. Das richtige Maß zu finden ist da sehr schwer. In Deutschland ist man diese – für Operette nicht ungewöhnliche –  Mischung auch noch immer nicht gewöhnt. Wie schwarz darf Humor sein, wie witzig der Tabubruch, wie freundlich das Böse? Tom Ryser hat mit viel gutem Handwerk, Intelligenz und Kreativität die Herausforderung angenommen. Herausgekommen ist eine klug erzählte Geschichte, witzig, böse und sehr charmant.

Aha-Effekt:  
Ein böser Regent, sein engster Vertrauter, der Sternendeuter. Ein aufmüpfiger Fremder, eine Prinzessin, ein Diplomatenpaar mit Sekretär. Ein Volk. Eine Hofgesellschaft. Was tun die da? Sie versuchen zu überleben. Das zu finden, was sie für Glück halten. Wie heißt der doofe Spruch nochmal? Jeder ist seines Glückes Schmied. Und der falsche Zugang bringt auch falsche Ergebnisse, also eben kein Glück. Nur mit viel Zufall kann die Sache noch gut ausgehen. Aber nur, wenn man was gelernt hat. Nämlich: Das Leben kann so schön, einfach und freundlich sein. Aha.
Übrigens: Hat er nun oder hat er nicht? Der Sternendeuter - die Wahrheit gesagt?

Mutig, neu, zeitgemäß:
Das Horoskop des Königs, eine unbekannte Operette – oder opéra bouffe – in einem Stadttheater frisch auszugraben und als Neuheit zu präsentieren, das ist für sich schon mal mutig. Das Werk dann zwar als griffige Geschichte, aber nicht als reines Märchen zu präsentieren, ist angesichts eines wohl Operetten-ungeübten Publikums in Bremen das zweite Wagnis. Aber das Theater hat seine Aufgabe ernst genommen. Fein besetzt, klug gekürzt, gut gearbeitet. Dabei ist dem Produktionsteam die Balance zwischen Erzählung und aktuellem Bezug ganz gut gelungen. Ebenso die Balance zwischen Tabubruch, politischer Warnung und Charme. Sehr zeitgemäß.

Sei kein Frosch, küss ihn: Die Redaktion Operette ist überzeugt und gratuliert zu großem Operettenmut.

Musikalische Leitung:
Yoel Gamzou
Inszenierung: Tom Ryser
Bühne und Kostüme: Stefan Rieckhoff
Chorleitung: Alice Meregaglia
Licht: Christian Kemmetmüller

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