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BR-KLASSIK vergibt Mai-Frosch 2019 "Mam'zelle Nitouche" an Palazetto Bru Zane, Venedig / Théâtre Marigny, Paris

Der Operettenfrosch Mai 2019 "Mam'zelle Nitouche" an Palazzetto Bru Zane, Venedig / Théâtre Marigny, Paris von Hervé. Eine Inszenierung von Pierre-André Weitz.

"Mam'zelle Nitouche", Nantes Graslin Theater 2017 | Bildquelle: © Jef Rabillon, Nantes Graslin Theater

Bildquelle: © Jef Rabillon, Nantes Graslin Theater

Steckbrief

"Mam'zelle Nitouche“ von Hervé, Palazzetto Bru Zane, Venedig / Théâtre Marigny, Paris
Regie: Pierre-André Weitz

Los geht´s …   
Mit einem Clown vor dem Theater, einem Hahn vor dem Vorhang und einer Bühne in bleu-blanc-rouge!

Überraschung:  
Das Werk ist eine Vaudeville-Operette, also ein Werk ohne große Ensembles und Finali. Kaum eine Nummer ist länger als 3 Minuten. Deshalb ist die Produktion auch nicht mit Sängern, sondern mit Schauspielern besetzt, die allerdings sehr gut singen können. Dass es davon in Frankreich so viele zu geben scheint, ist die eigentliche Überraschung der Aufführung.

Operettenpreis "Frosch des Monats Mai 2019" | Bildquelle: BR-Klassik, Operetten-Boulevard Bildquelle: BR-Klassik, Operetten-Boulevard

Größte Lacher:  
Lacher gibt es am laufenden Band - dank des Timings der Schauspieler und der witzigen Dialoge. Das schnurrt flott herunter, dass es eine Freude ist. Wie im gut geölten Boulevardtheater geht es Klipp-Klapp-Tür auf-Tür zu-Rock-hoch-Hose-runter. Auch diese Tradition scheint in Frankreich noch zu leben - hier freilich en travéstie. Eine Art quere Klamotte, hüpfende Männern in Nonnenkutten, que drole!

Gelungenste Szene:   
Der Auftritt von Sainte Nitouche als Madonna in Strapsen. Ein echter Knüller! Und ein Bild für das Thema der Operette: der Gegensatz fromm und frivol. Nitouche ist gleichzeitig Klosterschülerin und Theatersängerin. Ihr Name heißt eigentlich Rührmichnichtan – heute wäre Sainte Nitouche die heilige NotMeToo.

Verblüffend:  
Auch die eigentliche Hauptrolle ist gezeichnet von diesem Gegensatz: fromm und frivol. Sie trägt dafür - je nach Funktion - zwei verschiedene Namen: Floridor oder Celestin. Damien Bigourdan spielt diesen Musiker mit den zwei Gesichtern überzeugend: im Mädchenpensionat an der Orgel - im Operettentheater auf der Bühne oder im Graben.
Die Rolle ist ein Selbstporträt des Komponisten. Der war selbst einmal Organist - in St. Eustache in    Paris - natürlich unter seinem richtigen Namen Louis-Auguste-Florimond Ronger – und am Theater war er Schauspieler und Dirigent und nannte sich Hervé. Also ein Doppelleben wie in Mam'zelle Nitouche! Für diesen Konflikt findet die Inszenierung immer wieder verblüffende szenische Lösungen.

Herausragend:    
Lara Neumann hat als Mamzelle Nitouche wunderbar gesungen und toll gespielt. Eine echte Operettendarstellerin mit Charme und Witz und sehr französischer, frecher Erotik. Da saß jede Szene, jeder Blick und jeder Ton! Eine Riesenpartie mit Leichtigkeit bewältigt, egal ob pointiert in den vielen Dialoge und den leichteren Chansons, oder mit Stimmzauber in den großen Arien.

Aha-Effekt: 
Wenn Klosterfrau und Theatersängerin vom selben Schauspieler dargestellt werden: Miss Knife, alias Olivier Py in seiner Travestie - Doppelrolle als Mutter Oberin und Operetten-Diva Corinne manchmal etwas zu kracherd. Als besoffener Soldat Loriot aber eine Wucht!

Mutig, neu, zeitgemäß:
Nach Les Chevaliers de table Ronde ist Mam'zelle Nitouche die zweite Produktion einer Hervé-Operette, die der Palazzetto Bru Zane auf den Weg gebracht hat. Das ist mutig, steht doch gerade dieser Komponist noch immer im übermächtigen Schatten Offenbachs. Neu ist auch der freche
Travestie-Zugang der temporeichen Inszenierung von Pierre André Weitz und seine poppige Trikoloren-Ästhetik mit schnellen Wechsel auf der Drehbühne. Kurzum: Eine durch und durch zweitgemäße Operetten-Regie. Und wie immer bei Bru Zane gibt es davon eine CD mit wunderbarem Booklet.

Sei kein Frosch, küss ihn: Die Redaktion Operette ist überzeugt und gratuliert zu großem Operettenmut.

Musikalische Leitung: Jean-Pierre Haeck
Regie, Ausstattung: Pierre-André Weitz
Chorégraphie: Iris Florentiny

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