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Instrumentenwissen Die Gitarre – das Instrument der Herzen

Ob in der Klassik, im Flamenco, im Jazz, im Blues, im Pop, im Rock oder in der Volksmusik: Die Gitarre ist in fast allen Musikstilen zuhause. Und sie ist eindeutig das Instrument der Herzen. Und das aus einem ganz konkreten Grund.

Eine Konzertgitarre | Bildquelle: colourbox.com

Bildquelle: colourbox.com

Das Instrument der Herzen

Drei Akkorde am Lagerfeuer reichen völlig aus: Wer Gitarre spielt, dem fliegen die Herzen des Publikums zu. Ob Profi oder Laie, das spielt dabei kaum eine Rolle. "Die Gitarre ist das Instrument, das die Herzen bewegt", davon ist Gitarrist Christoph Peters überzeugt. Und er weiß auch, warum das so ist: "Sie ist das einzige Instrument, das man beim Spielen gegen das eigene Herz drückt. Dadurch entsteht eine besondere Aura. Die Gitarre ist ein sehr intimes, nach innen gekehrtes Instrument. Und gleichzeitig öffnet sie unglaublich viel nach außen."

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Ob heller Streicherklang oder tiefes Blech, ob gezupft oder geschlagen: Wir stellen Ihnen verschiedene Instrumente vor – und räumen mit so machen Mythen und Klischees auf. Alle bisher vorgestellten Instrumente im Überblick

Vorläufer der Gitarre gab es schon im Alten Ägypten

Eine koptische Laute | Bildquelle: Wikimedia Commons Eine koptische Laute | Bildquelle: Wikimedia Commons Die Geschichte der Gitarre, wie wir sie kennen, beginnt im Mittelalter: Die spanische Vihuela gab es in einer bogengestrichenen, in einer mit dem Plektrum gezupften und in einer mit den Fingern gezupften Version. Gitarrenähnliche Instrumente wurden aber bereits sehr viel früher, nämlich schon ab dem dritten Jahrhundert n. Chr., gebaut. Archäologen fanden bei Ausgrabungen in Ägypten verschiedene Modelle der koptischen Laute – mit durchaus experimentellem Korpusdesign.

Wichtig für den Klang: Der Lack

Armin Hanika ist Chef von "Hanika Gitarren" im mittelfränkischen Baiersdorf. Er berichtet, dass ein wichtiger Faktor für den späteren Klang der Gitarre der Lack ist und nennt auch gleich ein Beispiel: So schwingt die Decke einer Gitarre mit dünnem Nitrolack besser als eine dicker lackierte, und das hat unmittelbare Auswirkungen auf die Töne. Die moderne Lackchemie sorgt da für viele verschiedene Möglichkeiten. Je sprödhärter der Lack ist, umso besser, heißt es im Gitarrenbauer-Jargon. "Sprödhart" - das bedeutet: Hart, aber leicht brechend wie Glas sollte die Lackierung sein.

Zeder klingt warm, Fichte brillant - auch das Holz macht den Klang

Armin Hanika, der Leiter von "Hanika Gitarren" bei der Arbeit in der Werkstatt | Bildquelle: Marion Hanika Gitarrenbauer Armin Hanika bei der Arbeit | Bildquelle: Marion Hanika Die Wahl des Holzes hat ebenfalls große Auswirkungen, erklärt Gitarrenbauer Armin Hanika weiter. Soll eine Konzertgitarre warm und voll klingen, so empfiehlt sich eine Decke aus Zedernholz. Soll das Instrument mehr Brillanz im Klang haben, so ist die Fichte das Material der Wahl. Im Vergleich zur Zederndecke verbessert sich hier sogar über die Jahre der Klang des Instruments. Und bei E-Gitarren verwenden Gitarrenbauer Mahagoni als Korpusholz, wenn das Ergebnis ein voller Klang mit langem Sustain (Nachklang) sein soll. Für einen spritzigen Sound mit vielen Höhen kommen Esche oder Ahorn ins Spiel.

Wie viel kostet eine gute Gitarre?

So viele Faktoren kommen neben Lack und Holz beim Bau einer Gitarre zusammen, dass das Endergebnis nicht hundertprozentig vorhersehbar ist. "Die Gitarre ist eine Gleichung mit 1000 Variablen – die lässt sich nicht lösen", sagt Armin Hanika. "Ganz genau weiß ich erst dann, was rauskommt, wenn die Saiten drauf sind. 99 Prozent weiß ich, aber die letzten ein bis zwei Prozent sind immer individuell und ein bisschen zufällig." Der Preise für solche hochwertigen Konzertgitarren fangen dann im oberen dreistelligen Euro-Bereich an - für eine Profigitarre kann der Preis dann auch mal 10.000 Euro überschreiten. Ähnlich wie bei guten Streichinstrumenten.

Ist Gitarrelernen schwierig?

Als Saiteninstrument ist die Gitarre mit der Geige verwandt. Das Gitarrenspielen zu lernen, ist am Anfang aber sogar ein klein wenig leichter als bei der Geige. Anders als bei den Streichern markieren Bünde am Hals die Tonhöhen: Es kommt also nicht nur aufs Hören an, man sieht und spürt auch, wo die Finger greifen müssen. Und das macht es gerade zu Beginn etwas leichter. Im Unterschied zur Geige werden allerdings in der Regel sechs statt nur vier Saiten bespielt.

Siebzehn Saiten bei ZZ Top - die Gitarre kann vielsaitig sein

Elwood Francis spielt einen 17-saitigen Bass.  | Bildquelle: picture-alliance / dpa Mehr Show als Effekt: Elwood Francis spielt an 17 Saiten Bass. | Bildquelle: picture-alliance / dpa Doch: Bei der Saitenzahl scheint der Gitarre keine Grenze gesetzt zu sein. Die Doppelhalsgitarre des ehemaligen Led-Zeppelin-Gitarristen Jimmy Page ("Stairway to Heaven") ist da nur ein Beispiel. Ein anderes die Wiener Kontragitarre mit 15 Saiten, die ganz praktisch einen Bass und eine Gitarre in einem Korpus vereint. So sparte man sich früher als Schrammelmusiker den Bassisten – mit doppeltem Effekt: mehr Gage für die Spieler, weniger Platz für die Musiker im Lokal. Apropos Bass: Der Bassist der amerikanischen Bluesrockband "ZZ Top" hat sich eine Bassgitarre mit 17 Saiten anfertigen lassen. Eindrucksvoll zum Anschauen, vermutlich Rücken-schindend und ziemlich schwer, auf den Klang hat das freilich eher wenig Effekt. Es lebe die Show!

Im Klassikbetrieb wenige Konzerte für Gitarre und Orchester

Während sie in den meisten Musikstilen kaum wegzudenken ist, ist die Gitarre in der Klassik hingegen eher rar. Komponisten, die regelmäßig Konzerte für Gitarre und Orchester komponiert haben, gibt es wenige. Der bekannteste ist wohl Joaquín Rodrigo. Er hat neben seinem berühmten "Concierto de Aranjuez" auch Konzerte für zwei und für vier Gitarren und Orchester geschrieben. Längst ließe sich die Gitarre ja gut verstärken und somit gibt es eigentlich – was den großen Lautstärkeunterschied zwischen Gitarre und Orchester angeht – kein Argument mehr gegen solche Werke.

Man kann natürlich auch einfach ein "Concerto for Group and Orchestra" komponieren, so wie es John Lord für seine Rock-Band "Deep Purple" und das Royal Philharmonic Orchestra in den späten 1960er Jahren getan hat. Da standen sich dann – zumindest was die Lautstärke anging – zwei ebenbürtige Kontrahenten gegenüber.

Die Gitarre als Verlängerung des Körpers

Zurück zu Gitarrist Christoph Peters: Er spielt in der Klezmer-Jazz-Gruppe "Gitanes Blondes", die oft mit dem Klarinettisten Giora Feidman auftritt. Der helle Klang seiner modernen Flamenco-Gitarre passt besonders gut, weil sie sich damit gut von den Instrumenten seiner Bandkollegen abhebt.

Der Gitarrist Christoph Peters zusammen mit dem Klarinettisten Giora Feidman im Konzert | Bildquelle: Christoph Peters Christoph Peters (r) und Giora Feidman (l) | Bildquelle: Christoph Peters Die Verbundenheit zum Instrument ist groß bei Gitarristen – irgendwie eine natürliche Verlängerung des Körpers. Und doch gibt es einen Auftritt, an den sich Peters ganz besonders erinnert: Als er bei einem Konzert nach der Pause mit seiner Band und Giora Feidman zurück auf die Bühne kommt und sich verbeugt, fällt ihm plötzlich auf, dass etwas fehlt. Schrecken, Herzstolpern: die Gitarre! Er hatte sie vergessen, mutterseelenallein war sie in der Garderobe zurück geblieben. Während Peters zurückeilt, erzählt Feidman dem Publikum, warum der Gitarrist auf einmal wieder verschwindet. Große Heiterkeit empfängt ihn nach seiner Rückkehr auf die Bühne – diesmal mit seinem Instrument. Wie das passieren konnte? Unerklärlich. Peters aber ist sich sicher: Das war ein singuläres Ereignis. Er wird seine Gitarre nie wieder irgendwo vergessen!

Sendung: "Allegro" am 27. September 2023 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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