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Corona – Gastronomie mit 2G Plus? Warum die Diskussion Bayerns Kulturbetriebe empört

Die Wirte in Bayern blicken am 11. Januar gespannt nach München. Der Grund? Das Bayerische Kabinett will festlegen, ob es bei der bundesweit geplanten 2G Plus-Regel tatsächlich ausschert und bei 2G bleibt. Bayern wolle im "Team Vorsicht", aber auch im "Team Augenmaß" bleiben, erklärte Ministerpräsident Markus Söder nach der Ministerpräsidentenkonferenz vergangene Woche überraschend. Ein Satz, der viele Kulturschaffende im Freistaat empört.

Bildquelle: picture alliance / SVEN SIMON / Frank Hoermann

Schon Mitte November hatte Söder eine 2G Plus-Verschärfung für den gesamten Kulturbereich verkündet, einschließlich einer maximalen Auslastung von 25 Prozent. Nur noch jeder vierte Platz darf also verkauft werden. Die Regeln gelten bis heute – und sorgen aktuell für Zunder in der Diskussion um eine Extra-Tour für die Gastronomie.

Ausverkauft, aber trotzdem fast leer

Im Stadttheater Fürth, wie in allen bayerischen Theatern, dürfen nur 25 Prozent der Sitzplätze belegt werden. | Bildquelle: picture-alliance/dpa So wundert sich Werner Müller, Intendant des Stadttheaters in Fürth, "dass ausgerechnet die bayerische Staatsregierung die Kultur im Kulturstaat Bayern nach wie vor doppelt bestraft." Das Stadttheater, wie Theater an sich, sollen eigentlich Tragödien auf die Bühne bringen, sind seit Mitte November aber selbst eine. Fürth inszeniert weiter mit voller Kraft. An Weihnachten die Schneekönigin, ein dunkles Kindermärchen mit aufwändigen Projektionen, großem Bühnenbild. All das vor ausverkauftem, aber trotzdem ziemlich leerem Haus.

Die Kultur im Kulturstaat Bayern wird nach wie vor doppelt bestraft.
Werner Müller, Intendant des Stadttheaters Fürth

Ungleiche Bedingungen in Restaurants und Theatern

Während nebenan im Restaurant jeder Platz besetzt werden darf, am Tisch die Maske fällt, stehen viele Gäste hier erst am Testcontainer vor dem Haus Schlange – wegen 2G Plus – und sitzen im Theater auf 1,5 Meter Abstand – unter FFP2-Maske. Intendant Werner Müller sperrt sein Haus noch auf für die Kunst und das Publikum, nicht fürs Geld. "Ein Haus zu 25 Prozent zu besetzen, bedeutet für das Stadttheater Fürth, dass wir nur 180 Menschen reinlassen dürfen." Ein deprimierender und ökonomisch katastrophaler Zustand sei das.

2G Plus für die Gastronomie: Ministerpräsident Söder zögert

Ministerpräsident Söder zögert bei 2G Plus für die Gastronomie auch, weil es für den Nutzen dieser Verschärfung nicht genug wissenschaftliche Expertise geben würde, erklärte er vergangene Woche. Das treibt vielen Kulturschaffenden, auch dem Fürther Intendanten, den Puls in die Höhe, hatten sie doch schon in den ersten Wellen durch immer neue Hygienekonzepte Expertise erbracht, dass sie kein Hotspot sind. "Ich kenne niemanden der bayerischen Kolleginnen und Kollegen, der sagt, die 25-Prozent-Regel macht so wirklich Sinn." Aus welchen Gründen man zu solchen Sanktionen kommt, darüber kann Müller nur den Kopf schütteln.

Ich kann einfach nur den Kopf schütteln, aus welchen Gründen man zu solchen Sanktionen kommt.
Werner Müller über die 25-Prozent-Regel für Kulturveranstaltung

Kulturschaffende in Bayern fühlen sich nicht wertgeschätzt

"Wann Söder zuletzt wohl im Theater war, ob er jemals im Theater war?" twitterte Sanne Kurz, die Kultursprecherin der Grünen im Landtag, nach Söders 2G Plus-Gastro-Zweifeln. Auch Intendant Müller fühlt sich und die Kultur aktuell in Bayern wenig wertgeschätzt. Grundsätzlich freut sich der Fürther Theaterchef für die Gastronomen, sollte die 2G Plus-Regel an ihnen vorbeigehen. Es gehe nicht um eine Neiddebatte, sondern um "Team Augenmaß" für alle.

Auch öffentlich finanzierte Theater können sich eine 25-Prozent-Belegung nicht ewig leisten, so Staatsintendant Jens-Daniel Herzog | Bildquelle: picture alliance / dpa | Daniel Karmann Das wollen auch andere Kulturschaffende. Im Nürnberger Staatstheater fand am Wochenende die viel umjubelte Premiere des Musicals "Hairspray" statt. Soviel ein zu drei Vierteln leeres Opernhaus eben jubeln kann. Viel Kunst für kaum Publikum – ein Luxus, den sich auch das öffentlich finanzierte Staatstheater so nicht ewig leisten kann, erklärt Staatsintendant Jens-Daniel Herzog. "Die Situation ist äußerst angespannt, gerade weil die Coronalage und auch die strengen Schutzmaßnahmen schon seit Langem andauern."

Tickets reihenweise zu stornieren, macht auf Dauer einfach keinen Spaß.
Staatsintendant Jens-Daniel Herzog

Härtere Regeln als in anderen Bundesländern

Während in anderen Bundesländern teilweise noch deutlich mehr Besucher ins Theater dürfen, es Ausnahmeregeln gibt für gute Hygienekonzepte, bleibt Bayern bei der deutschlandweit härtesten prozentualen Obergrenze. Keine Ausnahmen, bisher keine Aussicht auf Änderung. Das kann Staatsintendant Herzog so nicht nachvollziehen. "Solange wir die 2G Plus-Regel mit zusätzlicher FFP2-Maskenpflicht haben, fände ich es durchaus vertretbar, ein paar mehr Menschen ins Theater zu lassen. Die Nachfrage wäre auf jeden Fall da. Tickets reihenweise zu stornieren, macht auf Dauer einfach keinen Spaß."

Bayerischer Musikrat appelliert an Staatsminister

Auch der Bayerische Musikrat (BMR) fordert fairere Regeln für Kulturbetriebe. Helmut Kaltenhauser, Präsident des BMR, hat sich in Briefen an die Staatsminister Bernd Sibler, Klaus Holetschek und Dr. Florian Herrmann gewandt. Er formuliert die eindringliche Bitte, dass die Regelungen für die Gastronomie auch auf die Kultur angewendet werden – unter dem Aspekt vergleichbarer Verhältnisse und mehr Gerechtigkeit. Wenn die Gastronomie bei 2G bleibt, müsse das zukünftig auch für die Kultur gelten. "Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass die Ansteckungsgefahr in Opern und Konzerthäusern gegen Null geht." Diese Studien und Situation in den Konzertsälen mit großen Räumen, Lüftungen und festen Sitzplätzen mit geregelten Abständen müssten bei den Regelungen für Kulturveranstaltungen berücksichtigt werden, so Kaltenhauser.

Wenn die Gastronomie bei 2G bleibt, muss das zukünftig auch für die Kultur gelten.
Helmut Kaltenhauser, Präsident des Bayerischen Musikrats

Sendung: "Allegro" am 11. Januar 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK